- Gottes enge Pforte -

Welt ohne Gott

   

   
   
   entnommen aus: Welt ohne Gott, von ANNETTE DI ROCCA, Imprimatur: Regensburg, 5. Oktober 1961, Kapitularvikar i. V. Meindl
   
   Vorwort
   "Die Welt ist dunkel, Genossen, sehr dunkel!" Ein Wort des ersten Weltraumfliegers nach der geglückten Landung. - Liegt für uns Christen nicht ein hintergründiger Sinn in diesem nüchternen Kommentar? Bedurfte es des hellsten Lichtes der forschenden Wissenschaft, um die Erkenntnis zu gewinnen: Dunkel ist die Welt?
   
   Ja, Brüder, die Welt ist dunkel, sehr dunkel, seitdem man Christus, das Licht und Gott, die Sonne, ausgelöscht hat. Und wie sehr die Wissenschaft auch leuchten mag in der nahen und fernen Zukunft, wieviele Lichter sie auch hinauf- und hineintragen wird in das riesige All, dieses Dunkel wird sie mit keiner irdischen Lichtstärke je aufzuhellen vermögen. Laßt uns beten Brüder, damit der Herr in seiner unendlichen Barmherzigkeit, diese ihm geweihte Erde um seines Sohnes willen mit einem Strahl Seines göttlichen Lichtes erhelle, und es wird Tag sein, wundersamer Tag.
   
   Der Himmelskönigin gewidmet, der Trägerin des Lichtes am 1. Mai 1961
   Die Verfasserin
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   "Der da in den langen Rock, ist das ein Mann oder eine Frau?" fragte das Mädchen von dreizehn Jahren. Denn es hat noch niemals einen katholischen Priester gesehen und weiß nicht, was Kirche ist. Es weiß auch nicht, daß dieses große, schöne Frankreich von jeher der Mutter Kirche ans Herz gewachsen ist. - In diesem schönen, großen Frankreich gibt es weite Landesteile, in denen der arme Landpastor bitterlich allein ist. In denen man ihn hungern läßt, und in denen der Herrgott im Tabernakel mutterseelenallein gelassen wird. Es klingt so unglaubwürdig: In diesem Kulturland stehen alte, kleine katholische Gotteshäuser sonn- und werktags leer. Manchmal kommen sonntags zwei oder drei Leute aus dem Dorf zur Messe. Und wie oft steht der Priester allein am Altar... - Im Durchschnitt praktizieren in Frankreich 31% der Katholiken. In den verschiedenen Landesteilen ist das aber sehr unterschiedlich: Es gibt Gegenden, in denen 40% praktizierende Katholiken sind. Seit 1905 gibt es in den staatlichen Schulen keinen Religionsunterricht.
   Was man da liest in "Le monde Catholique", der Zeitung der katholischen Männeraktion Frankreichs, ist schrecklich schmerzhaft und kaum zu fassen:
   Da stirbt in einem Dorf Frankreichs ein katholischer Priester allein, alt und krank. Und der kommunistische Bürgermeister bereitet ihm, "weil man Respekt hatte vor dem Alten," ein offizielles Begräbnis, allerdings ohne Gebet, ohne Segenswort, ohne Kreuz und Priester.
   Da gibt es in Frankreichs einige völlig entchristlichte Departements! Indes wir uns um Afrika und Asien sorgen und auf Entwicklungshilfe sinnen und unsere jungen Missionare per Flugzeug und Schiff in die Ferne schicken.
   Frankreich ist nah. Und Gott ist allein, dort, wo man einst sagte, man könne leben "wie Gott in Frankreich".
   Denn da stehen die Männer am Wege, vor dem Bistro, lachen zwar nicht, heben aber auch keinen Finger an die schwarze Baskenmütze, wenn der "Abbé" vorübergeht.
   Der Pfarrer, der sein eigener Glöckner, Küster, Meßdiener ist, und der weit und breit keinen Mitbruder hat, mit dem er sich einmal aussprechen könnte.
   "Der Priester lebt einsam inmitten einer gleichgültigen Bevölkerung, die spöttisch oder freiweg feindlich gesinnt ist. In bestimmten Dörfern ist das Priesterleben ein tägliches Drama!"
   
   Sicher du weißt um die Not der ungarischen Priester. Um den einsamen Jesuitenpater in Moskau. Um den Missionar am Eismeer unter einer winzig kleinen Zahl von Christen. Aber vom Alleinsein dieser "Priester ohne Gemeinde" im Nachbarland Frankreich? Davon wußest du nichts.
   Wußtest nur, daß Paris seine glanzvollen Kirchen, seine wunderbar weiße Sacré Coeur hat. Reims seine Kathedrale. Nevers das Grab der Bernadette.
   Du hast mit den feinen, achtungsgebietenden Frauen der französischen katholischen Aktion gesprochen, die in Deutschland zu Besuch waren und von ihren acht und zehn Kindern erzählten und von der Frühkommunion der Sechsjährigen.
   Vom Architekten, der vielbestaunte seltsame Kirchen auf Frankreichs Boden wachsen ließ. Vom Dorf inmitten Frankreichs, in welchem ein Priester die Pellkartoffeln abends für eine Delikatesse hält, weiß du nichts!
   Von dem jungen Priester, der seine "erste Liebe", sein junges Priestertum zu den Kalten, Lauen, Ablehnenden getragen hat - und abgewiesen wird - in Frankreich. Und beileibe nicht nur in Frankreich. Dort aber so eklatant, daß man es nicht begreifen will!
   "Wüstenhafte Trostlosigkeit religiösen Lebens" treffe man dort an, berichtet "Ruhrwort Essen." Eine "missionaähnliche Situation"? Wir meinen: eisiges Frontgebiet der Gottesferne - Frankreich!
   Der Materialismus hat dort auf dem Lande wie eine verheerende Seuche gewirkt. "Darum ist manche Gemeinde heute auch ganz kommunistisch."
   Da taucht er auf: der Widersacher, der ewige, gefährliche. Der Gotteshasser, der auf Frankreichs Erde wuchern darf - der im roten Gemeinderat bestimmt: eine Reperatur der alten Kirche lohnt sich nicht mehr, also: abreißen!
   Seit über 50 Jahren darf in der Schule Frankreichs und während des Schulunterrichts kein Religionsunterricht mehr erteilt werden.
   Seit zwei Generationen schon verkümmert Christus im christlichen Frankreich! Es gibt Dörfer, in denen mehr als die Hälfte der Kinder nicht getauft ist. Das alte Mütterchen kommt scheu am Sonntag ins Turmgeschoß der abbruchreifen Kirche, zum Gottesdienst. Die Jungen lärmen draußen. Die Väter arbeiten sonntags auf dem nahen Feld. Die kleine, traurige Glocke erhebt zaghaft und wie verloren ihr Stimmchen übers weite Land.
   Das "flache" Land, in welchem nur wenige noch Notiz nehmen vom Priester, der den Herrgott über staubige Straßen ehrfürchtig zum sterbenden Franzosen trägt!"
   
   Dieser erschütternde Bericht ist erschienen in der "Neuen Bildpost" vom 18. April 1961 unter dem Titel: "Allein lebt Gott in Frankreich," von Helmut M. Fehling.
   Wer von uns hat gewußt, daß es so etwas gibt? Wahrlich, es ist eine Welt ohne Gott, in der wir leben. Wir schreiben das Jahr des Heils 1961. Wer kann sagen, ob es nicht ein Jahr des Unheils sein wird?
   
   Gehen wir ein paar Jahrtausende zurück und hören wir, wie Moses über das halsstarrige Volk klagte, das er im Auftrag Gottes durch die Wüste zu führen hatte: "Frevel übten an Ihm seine mißratenen Söhne durch ihr schändliches Tun. Ein Geschlecht, verdreht, verschlagen und gänzlich verderbt; Söhne, jeglicher Treue und aller Einsicht bar. Klugheit sucht man vergebens bei ihnen. Wären sie weise, verstünden und bedächten sie ihr Ende." Dies ist offenbar ein Wort von immerwährender Gültigkeit für alle Völker der Erde. Mißratene Söhne sind sie allesamt ausnahmslos, fortgewandert aus der bergenden Liebe des Vaters, verblendet von Hochmut und Eigendünkel, im Wohlleben versunken, von Sünde und Laster gezeichnet.
   Und Gott sprach zu Moses: "Ich habe dieses Volk, beobachtet und glaube mir, es ist ein halsstarriges Volk." Von den Menschen aus Noes Zeiten sagt die Schrift: "Deshalb beschloß Gott, weil der Mensch nichts anderes mehr ist denn Fleisch, ein furchtbares Strafgericht über die Welt zu verhängen... und alles was Leben in sich hatte, starb." Welt ohne Gott!
   Der unbändige Stolz des heutigen Menschen, der sein eigener Gott ist und im Bewußtsein seines unvorstellbaren Könnens den Gedanken an die Existenz eines über ihm stehenden Wesens nicht erträgt, hat schon einmal ähnliche Ausmaße erreicht, als es um den vermessenen Turmbau zu Babel ging. Damals schon wollte er über sich selbst hinaus und sein eigener Gott sein. Und der Herr sprach die bedeutsamen Worte, deren Erfüllung wir heute erleben: "Fortan wird für sie nichts mehr unausführbar sein, was immer sie sich vornehmen!" Ist es nicht, als hätte er den heutigen Menschen mit seinen phantastischen Erfindungen vor sich gesehen? Aber: "So will ich denn hinabsteigen und ihre Sprache verwirren...!" Ist nicht die Sprachenverwirrung ein typisches Merkmal dieser Menschheit des modernen Babelhaus? Wo versteht denn heute noch einer den anderen? Und wenn sie 20 Konferenzen halten, dann gehen sie alle 20 mal ohne Verständigung auseinander. Verwirrung der Sprache kommt aus der Verwirrung der Geister und der Herzen. Sie haben das ordnende Prinzip ausgeschaltet und sind in den Stacheldrahtverhau ihrer eigenen Widersprüche geraten und werden sich nicht daraus zu befreien vermögen aus eigener Kraft. Der Mensch, der durch seine Auflehnung und gewollte Gottlosigkeit für Gottes Heilspläne untauglich geworden ist, wird von ihm verworfen. Welt ohne Gott!
   
   Betrachten wir die vermeintliche Größe des Menschen! Wie steht es eigentlich um sie? Wie klein und hilflos ist er, wenn ihn eine Krankheit niederstreckt! Wie verwundbar und verletzlich ist er! Wie machtlos gegen den Tod! Eine winzige Wunde kann das Ende all seiner Herrlichkeit bedeuten. Und wie klein ist er angesichts einer Naturkatastrophe: Erdbeben, Überschwemmung, Orkane, Feuer!
   Betrachten wir ihn inmitten seiner einzigartigen Erfindungen! Was hat er nicht alles schon erreicht und was wird er noch alles erreichen! Welch schwindelerregende Möglichkeiten gäbe es noch zu verwirklichen, welche Ungeheuerlichkeiten auszuhecken, welch übermenschlichen Ideen Gestalt zu verleihen? Und doch wie klein ist er! Ist er imstande mit all seinen genialen Experimenten auch nur das winzigste Lebewesen zu erzeugen? Ein Käferchen etwa, einen Grashalm? Hier steht er an einer unüberschreitbaren Grenze, hier stößt er an das Geheimnis des Schöpfers, vor dem er halt machen muß, ob er will oder nicht.
   
   Gott allein ist der Herr des Lebens, das ihm in unzählbaren Formen in unerschöpflicher Vielfalt in unnachahmlicher Herrlichkeit nur so aus den Händen quillt. Wasser, Luft und Land, alles ist erfüllt vom lebensschaffenden Odem Gottes. Wie kleinwinzig wird der große Mensch angesichts dieser Tatsache! Was wäre näherliegend, als daß er sich in Ehrfurcht und Demut neigte vor der Herrlichkeit des Herrn aller Herren! Aber der Hochmut hat ihn verblendet und so ging ihm der nüchterne Blick für die Erkenntnis der Wahrheit und der zwingenden Zusammenhänge verloren.
   
   "Völker tobten und es wankten die Reiche," spricht der Psalmist, der durch die Jahrtausende hinweg auch unsere Zeit geschaut hat. Gott aber hat Mittel und Wege um dann, wenn seine Stunde gekommen ist, selbst die widerspenstigsten Geister zu zähmen. Hat uns der Lauf der Welt nichts zu sagen? Hören wir nicht, um mit Bismarck zu sprechen: "Den Mantel Gottes in der Geschichte rauschen?" Wie seltsam wird uns einmal in der Ewigkeit die Jahrtausende füllende Weltgeschichte anmuten, dieser gigantische Kampf, der in allen Jahrhunderten die Gemüter bewegt und erschüttert und der, - ganz gleich was immer seine Ursachen zu sein schienen, - letzten Endes immer nur für und wider Christus ausgetragen wurde.
   Der Prophet Jeremias hat recht: "Böse ist des Menschen Herz, mehr als alles und unerforschlich; wer wird es durchschauen?" Das Antlitz des Menschen, das ein Abglanz der unsagbaren Herrlichkeit Gottes war, leuchtend in der jungfräulichen Schönheit des Schöpfungsmorgens, ist zu einer Fratze geworden, dem Zerrbild eines Antlitzes gleich, das sich über eine bewegte Wasserfläche neigt. Er hat nicht nur die Züge seiner Gottähnlichkeit verwischt, er hat gleichzeitig die gottgegebene Zielsetzungen verschoben und damit die Welt von ihrer innersten Struktur her zerstört. Der Mensch und alles, was die Erde trägt, ist zur Verherrlichung ihres Schöpfers ins Sein gerufen. Aber heute ist nicht mehr Gott, der Schöpfer, die Mitte der Welt, sondern der Mensch. Welt ohne Gott!
   Er hat in infamer Überheblichkeit die Naturgesetze an die Stelle dessen gesetzt, der Urheber und Herr dieser Gesetze ist. Die Ehrfurchtslosigkeit vor dem Geheimnis Gottes ist zum charakteristischen Merkmal dieser technikbesessenen Welt geworden. Welches Triumphgeschrei des Atheismus über die Mondrakete! "Wir haben keinen Gott im Weltraum entdeckt, ergo gibt es ihn gar nicht, hurra!" Wahrscheinlich hat der Allmächtige genau an der Stelle, wo der menschliche Aberwitz seine Rakete ins Blaue schoß, darauf gewartet, sich als einer von jenen vorzustellen, der nebenberuflich auch Sternchen fabriziert!
   Interessant und tröstlich ist in diesem Zusammenhang ein Wort von Prof. Hermann Oberth, dem "Vater der Raketenforschung": "Die Raketenforschung ist geeignet, den Menschen wieder Gott näher zu bringen; denn sie überzeugt die menschliche Intelligenz davon, daß Gott doch größer ist als man sich allgemein vorstellt," wenn ihn der Größenwahn nicht mit Blindheit geschlagen hat, möchte man ergänzend hinzufügen.
   Der Satan hat sich des Hochmuts des Menschen bedient, seiner Selstherrlichkeit und Überheblichkeit, seines Erfinderstolzes, um ihn zugrundezurichten. Über all seinen grandiosen Leistungen hat der Mensch den Boden unter den Füßen verloren. Er hängt im leeren Raum, er kreist durch die Himmel, umfliegt die Erde, taucht unter die Meere, sucht Fuß zu fassen auf Mond und Sternen. Er hat sich selbst und seine Wissenschaft als die Zentralkraft einfachhin mitten hineingestellt in das Universum, genau dorthin, wo kein anderer steht und stehen kann und in alle Ewigkeit stehen wird, als Christus, Er, auf den hin ganz allein alles geschaffen wurde, was geschaffen ist.
   Selbst wenn es dem menschlichen Erfindergenie gelänge, auf den Sternen zu landen und sie zu erforschen und das Unmöglichste möglich zu machen, bis in die Unermeßlichkeit der Sphären vorzudringen, so würde all dies nicht ein Jota an der Wirklichkeit aller Wirklichkeiten ändern, daß Christus der Herr des Universums ist und daß jeglicher Gedanke jeglichen Menschengehirns aus ihm seinen Ursprung nimmt. Der Mensch existiert auschließlich von Christus her und auf Christus hin, mag er diese Wahrheit anerkennen oder bestreiten. Gott hat die absolute Macht über seine Schöpfung und über die Bausteine seiner Schöpfung, über alle Wesen, die er ins Sein gerufen und alle Völker der Erde in ihrem gigantischen Hochmut sind für ihn nicht mehr denn "ein Wassertropfen, der an einem Eimer herniederrinnt." Der Boden schluckt ihn auf, es ist als wäre er nie gewesen. Welt ohne Gott!
   
   Das Problem Gott und die andere Welt für die Mehrzahl der Menschen von heute ohne jedes Interesse. Es existiert einfach nicht. Wozu Gott, wozu ein Jenseits? Wer braucht denn derlei in unserer fortgeschrittenen Zeit? Was hätte Gott für eine Rolle zu spielen in einem Leben, das ich mir selber baue, herrlich baue nach meinem Gutdünken und Geschmack, ohne durch jene Rücksichten beengt zu sein, die ich nehmen müßte, wenn ich Ihn tatsächlich als Faktor in mein Leben hineinholen würde? Welt ohne Gott!
   Und doch ist und bleibt Gott für den Menschen aller Zeiten das Zentralproblem. Man kann es als großes Fragezeichen in sein Leben stellen und sich darum herum bewegen wie um ein Verkehrshindernis, das sich nicht entfernen läßt. Aber man kann ihm immer nur ausweichen, man kommt vorübergehend an ihm vorbei, doch immer wieder steht dieses Zeichen in scharfen Konturen mitten auf den belebten Straßen, mitten im Büro, mitten in der Welt deiner Zahlen. Es hilft dir kein Winden und kein Krümmen, keine kalte Ablehnung und keine heiße Verzweiflung. Einmal wirst du dieses große Fragezeichen nicht mehr umgehen können. Einmal wirst du Antwort stehen müssen auf die bedeutsamste aller bedeutsamen Fragen, die je auf dieser Welt gestellt wurden und jedem Einzelnen unerbittlich gestellt werden: Wie stehst du zu Christus?
   Unsere Zeit ist, von ihren technischen Leistungen her gesehen - rein weltlich betrachtet - eine Zeit ungeheuren Fortschritts und eines grandiosen Aufstiegs. Sie ist aber, so paradox es auch klingen mag, gleichzeitig auf Grund dieser Leistungen ein Rückschritt und ein Niedergang, wie es kaum je einen ähnlichen vor ihr gab - vom religiösen Standpunkt aus betrachtet.
   Sie hat dem Menschen viel gegeben, sie hat ihm aber soviel weggenommen, daß dieser Verlust durch nichts, durch gar nichts, was menschliches Genie zu bieten vermag, auch nur annähernd ersetzt werden kann. Sie hat das, was man sein Lebenselement nennen muß, in Nichts zerfließen lassen. Sie hat ihn aus seinem Urgrund herausgelöst, sie hat ihn abgeschnitten von dem Quell seiner Lebenssubstanz, sie hat ihn seinem Gott entfremdet. Das Leitbild, das dem Menschen jahrhundertelang zur Führung diente, ist verschwunden. Die Wissenschaft hat den Unglauben suggeriert und demonstriert. Sie hat den Massenabfall von Gott bewirkt, sie hat die Offenbarung als unglaubwürdig erklärt. Welt ohne Gott!
   Das Furchtbarste aber, was je auf dieser Welt geschehen konnte und geschehen kann, ist der Verlust des Gottesglaubens, ist die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen Schöpfer und Geschöpf. Wenn dies nur eine vorübergehende Erscheinung wäre, eine Zeitströmung, in der momentan die Verrücktheit eines Einzelnen obsiegt, um alsbald klarer Sicht zu weichen, dann wäre die Angelegenheit gar nicht so ernst zu nehmen. Eine Kathastrophe aber kann den Charakter eines Dauerzustandes annehmen. Und in diesem grauenhaften Zustand befindet sich die Welt von heute und zwar in einem solch unvorstellbaren Ausmaß, daß ihre Folgen überhaupt noch gar nicht abzusehen sind. Wir ahnen noch nicht, was es bedeutet, ganz logischerweise bedeuten muß, den Herrn der Welt aus seiner Welt hinauszuwerfen.
   Nietzsche, der einen Großteil Schuld an der verfahrenen Lage der Welt trägt, zu deren Entgottung er wesentlich beigetragen hat, sah auf Grund seiner unbestechlichen Scharfsicht mit Entsetzen, was es heißt, Gott aus seiner Welt herauszunehmen. Schreibt er denn nicht wie von geheimen Grausen geschüttelt: "Ihr habt Gott getötet, aber ihr wißt noch nicht, was geschehen ist, welches Meer ihr ausgeschöpft, welche Erde ihr von ihrer Sonne losgekettet habt. Stürzen wir nicht alle ins Nichts, ins bodenlose Nichts?"
   Eine Generation, die sich vornehmlich in ihrer geistigen Elite als glaubensunfähig und glaubensunwillig erklärt und damit kein Gebot Gottes mehr gelten läßt, hat sich selbst ihr vernichtendes Urteil gesprochen. Sie hat ihr Daseinsrecht verwirkt. Der Prozeß der Ungläubigkeit ist bereits soweit gediehen, daß der moderne Mensch keinen Schrecken, kein Entsetzen, kein Grauen in sich aufkommen spürt, wie es Nietzsche noch empfand, als er erklärte: "Gott ist tot." Der Unglaube hat das Leichentuch des Todesschweigens über Gott und seine Gebote gebreitet. An die studierende Jugend beiderlei Geschlechts einer Pariser Universität wurde die Unfrage gestellt: Ist Unkeuschheit eine Sünde? 98% antworteten mit Nein. Der Begriff sei überholt und veraltet. Die Beziehung der Geschlechter sei eine völlig normale Angelegenheit, die jeder auf seine Weise regeln könne. - Das Ergebnis dieser Umfrage ist ein greifbarer Beweis dafür, daß Sitte und Moral und Wohlanstand genau in dem Maße verschwinden, in dem der Unglaube an Boden gewinnt und das Gebot Gottes mißachtet wird. Aber: "Nichts Unreines wird in das Himmelreich eingehen!" Menschliche Willkür wird an dieser Feststellung nichts zu ändern vermögen. Welt ohne Gott!
   Kardinal Faulhaber sagte gelegentlich einer Adventspredigt im Jahre 1913: "Der vierte apokalyptische Reiter, der schrecklichste von allen, reitet auf leichenfarbigem Rosse. Dieser vierte Reiter ist der Dämon der unsittlichen Tat. Er verkörpert die sittlich verkommene Lebenspraxis."
   Diese Welt ohne Gott kennt und anerkennt keines der zehn Gebote Gottes mehr. Sie bestimmt von sich aus mit eigener Autorität ihr: du sollst und du sollst nicht. Diese Willkürherrschaft vonseiten des Geschöpfes hat die Welt an den Rand des grauenhaften Abgrundes geführt, an dem wir stehen. Gibt es noch ein Zurück? Als in Sodoma und Gomorrha Pech, Schwefel und Feuer vom Himmel fielen, war es für jedes Zurück zu spät. Die Tage der Gnade waren abgelaufen, die Frist der Barmherzigkeit zu Ende. Die menschliche Bosheit kann einen Grad von Herausforderungen erreichen, auf die Gott mit Austilgung antwortet, weil bewußte Herzensverhärtung jede Möglichkeit einer Umkehr ausschließt.
   Wenn die Leistungen und Erfolge der Wissenschaften letzten Endes nur dazu führen, das Gott-Mensch-, das Kind-Vater-Verhältnis zu untergraben und zu zerstören, dann ist sie eine wahrhaft verfluchte Wissenschaft, die zwar ein neues Weltbild geschaffen hat, - das übrigens in hundert Jahren längst wieder überholt sein wird - sie hat aber den höchsten Wert, den es auf Erden gibt, die Menschenseele, ihrem Ehrgeiz geopfert. Wie unerhört auch ihre Leistungen sein mögen, von Gott her gesehen, ist es ein törichtes wertloses Spiel, das sie treiben mit den Kräften der Natur, die besser im Geheimnis des Schöpfers verwahrt blieben, als von der Torheit des Menschen mißbraucht zu werden. Wie komisch mutet es an zu hören, da´Goethe beim Anblick der Wasserspiele, vermutlich zu Versailles, abfällig bemerkte, die Erfinder solcher Künste sollten derlei Dingen den Rücken kehren und sich nützlicheren Aufgaben zuwenden. Was würde der Herr Geheimnrat wohl heute sagen zu unseren "Künsten?"
   Große Aufmachung, Riesenschlagzeilen in den Tageszeitungen, Extrablätter in Moskau: Sowjets schossen Menschen in den Weltraum!
   Küsse, Tränen, Blumen, tosender Beifall!
   Großes Siegesgeschrei, Sieg des Sozialismus, Sieg des Kommunismus!
   Überlegen wir einmal ganz nüchtern: Diese Strecke von 300 km ist im Angesichte der Unendlichkeit des Alls nichts weiter als ein kleiner Katzensprung. Von dort her gesehen ist dieses Ereignis von derselben geringen Bedeutung, wie wenn eine Ameise um einen Erdhügel herumläuft. Wir haben keine Vorstellung davon, was die Begriffe: "Unermeßlichkeit, Unendlichkeit, Ewigkeit" besagen wollen. Mit diesem Zahlensystem, das hier in Frage käme, vermag nur der Allmächtige, der Allwissende zu rechnen. Die gewaltigen Welten und Sonnen, die zu Milliarden das grenzenlose All erfüllen und ihre Bahnen nach weisen Gesetzen durchlaufen, sind eines Tages seinen schöpferischen Händen entrollt wie Kugeln der Hand eines spielenden Kindes. In einem Augenblick durch ein Wort der Macht waren sie da und durch ein einziges Wort der Macht kann er sie wieder zurückrufen in das Nichts, wenn es ihm so gefällt. Und da bilden sich die eitlen Menschen ein, sie wären gleich wie Gott!
   
   Überlegen wir weiter: Was ist der Menschheit mit alledem gedient? Was hilft dies den Millionen, die in russischen Zuchthäusern und Zwangsarbeitslagern schmachten? Wozu dieser Rummel, der nur einem wissenschaftlich-politischen Machtwillen dienen soll? Wen beglücken solche Erfolge, von denen heute keiner sagen kann, ob sie nicht einen weiteren Fluch für diese ohnehin in höchstem Maße bedrohte Welt bedeuten? Welt ohne Gott!
   Stellen wir die wunderbare Epistel, die Paulus an die Korinther schreibt, mitten hinein in diesen Rummel: "Wenn ich die Sprache der Menschen und der Engel redete, hätte aber die Liebe nicht, so wäre ich nichts als tönendes Erz und klingende Schelle. Und wenn ich die Gabe der Weissagung hätte und alle Geheimnisse wüßte und alle Wissenschaften und wenn ich einen Glauben hätte, daß ich Berge versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, so wäre ich nichts. Und wenn ich meinen Leib zum Verbrennen hingäbe und meine ganze Habe zur Speisung der Armen verteilte, hätte aber die Liebe nicht, so nützte es mir nichts!" Und lebte Paulus in unseren Tagen, dann würde er wohl hinzufügen: Und erreichtet ihr alle Sterne, die in unermeßlichen Sphären kreisen und wohntet ihr auf allen Monden und wären die Sonnen des Universums euer Gezelt und hättet die Liebe nicht, dann wäre all euer Tun nur Schall und Rauch, tönendes Erz und klingende Schelle. Welt ohne Gott!
   All dies laute Gehabe und Getue ist nicht dazu angetan, die Menschheit zu beglücken. Um dies zu erreichen, müßten die Schlagzeilen wesentlich anders lauten, etwa so:
   Moskau entläßt sein geknechtetes Volk in die Freiheit! 
   Moskau gibt allen versklavten Völkern das Recht auf Selbstbestimmung!
   Moskau hat den Bolschewismus als verbrecherische Ideologie erkannt und hat jeder weiteren Gewalttat abgeschworen!
   Moskau ist zum wahren Frieden mit aller Welt bereit!
   Das wären die Parolen, die wie eine Frohbotschaft die ganze Welt mit Jubel erfüllen würden. Hier wären Küsse, Freudentränen, Blumengewinde und Triumphzüge am Platz. Statt dessen... "Keine Kraft der Welt wird nun mehr in der Lage sein, den Kommunismus vom Weg des Sieges abzuhalten," und "Wir haben der Welt einmal mehr gezeigt, wessen der Geist freier Völker (o Hohn!) fähig ist." (Aus der Rede Chruschtschows gelegentlich des Weltraumfluges). Wir wissen woran wir sind und wozu die wissenschaftlichen Erfolge dienen sollen: zusätzliche Mittel zur Bedrohung derer, die noch frei sind. Darum ist die Welt dunkel, Genossen, sehr dunkel. Die Finsternis, vergessen wir es nicht, ist die Sonne Satans.
   Stellen wir alledem die erhabenen, von unbeschreiblicher Würde getragenen Worte der Apokalypse gegenüber: "Es öffnete sich der Tempel Gottes im Himmel und es erschien die Lade des Bundes in seinem Tempel. Es folgten Blitze und Donner und Erdbeben und heftiger Hagel. Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel: ein Weib, mit der Sonne bekleidet, den Mond unter den Füßen und auf dem Haupte einen Kranz von 12 Sternen. Und ich hörte eine gewaltige Stimme im Himmel rufen: Jetzt ist gekommen das Heil und die Kraft und das Reich unseres Gottes und die Macht seines Gesalbten." - "Die Völker werden es sehen und zuschanden werden in all ihrer Macht. Denn wer ist wie Gott?"
   Welches sind denn, kritisch betrachtet, die Segnungen der technischen Wunder, die unsere Wissenschaftler wirken? Tod und Verderben, Angst und Grauen, Schrecken und Entsetzen stehen wie Gespenster hinter ihren Forschungen und deren Nutzbarmachung. Sie sind das greifbare Ergebnis einer menschlich-schöpferischen Tätigkeit, die den Schöpfer als nicht-existent erklärt, ihn, von dem alle Urstoffe stammen, die gesamte Materie, ohne die sie nichts zu schaffen imstande wären. Der Mensch hat den Stoff verarbeitet und hat die Maschine gebaut, aber Stoff und Maschine haben sich seiner bemächtigt. Er hat sie und sie haben ihn. Er muß ständig der Rache vergewaltigter Kräfte gewärtig sein. Welt ohne Gott!
   Das Ohr des modernen Menschen ist vom Rattern der Maschinen taub geworden für das Wort Gottes und erfüllt von dem tosenden Lärm, dessen er zu seinem Vergnügen bedarf. Wenn Hebel und Räder stillestehen, versinkt er wie ein Ertrinkender in Wohlleben und Genuß, ohne die Gefahr, in der er steht, auch nur zu ahnen, obwohl Tod und Verderben wie ein unheimliches Menetekel an allen Wänden geschrieben stehen. "Aber dies ist eure Stunde, die Stunde in der die Finsternis Macht hat." Welt ohne Gott!
   Es ist eine merkwürdige Tatsache, daß gerade die technischen Erfindungen, die in erster Linie dazu dienen sollten, die Sicherheit des Menschen auf dieser Welt zu steigern und zu gewährleisten, daß ausgerechnet sie das genaue Gegenteil bewirkten, nämlich eine bis dahin nie gekannte Unsicherheit, Gefährdung und Bedrohung, deren sich - glücklicherweise vielleicht - nur ein Bruchteil der Menschheit bewußt ist. Wir durchleben die furchtbarste, entsetzlichste, unheimlichste, beängstigendste Weltkrise, von der die Geschichte weiß; wir sind unberechenbaren Mächten des Verderbens preisgegeben; wir stehen am Rande eines schaudererregenden Abgrunds, der vorerst durch die technischen Wunderwerke noch verbaut ist. Aber wir gehen unweigerlich auf ihn zu und wir werden hinabstürzen in jenen bodenlosen Abgrund, in den die Wissenschaften ohne Gott diese schöne Welt verwandelt haben. Statt Segen zu verbreiten, haben sie eine katastrophengeschwängerte Atmosphäre über die Welt hin ausgestrahlt. Ist es vielleicht nicht so, daß der Bestand der Welt und der gesammten Menschheit der Willkür irgendeines lebensüberdrüssigen Narren ausgeliefert ist, der an entsprechender Stelle sitzt und nur auf den bewußten Hebel zu drücken braucht, damit die schöne Herrgottswelt sich zurückverwandle in jenes Urchaos, aus dem Gottes allmächtiges Schöpfungswort sie einst zu weiser Ordnung rief. Der Verbrecher Mensch ist auf dem besten Wege dazu, in diabolischer Vermessenheit die letzte und schlimmste seiner skrupellosen Schandtaten zu begehen.
   
   Hören wir ein Wort Jaspers: "Die Atombombe ist heute für die Zukunft der Menschheit drohender als alles sonst." - Was sagt Einstein? "Für den Fall einer massenhaften Verwendung von Hydrogenwaffen ist mit dem plötzlichen Tod eines kleineren Teils der Menschheit und mit qualvollen Krankheiten und schließlich mit dem Absterben aller Lebewesen zu rechnen." - Was schreibt Otto Hahn? "Es wurde in den Vereinigten Staaten ausgerechnet, daß 10 große Wasserstoffbomben ... das Fortbestehen der Menschheit ernstlich gefährden würden, ganz gleich, wo sie fallen. Die Tatsache besteht, daß die Menschheit heute oder in naher Zukunft in der Lage ist, sich selbst auszulöschen." - Wie urteilt Max Born? "Ein Krieg zwischen Großmächten bedeutet die Wahrscheinlichkeit allgemeiner Vernichtung nicht nur der Kämpfenden, sondern auch der Neutralen." - Was hat uns Thirring über die Wasserstoffbombe zu sagen: "Eine einzige solche Bombe würde genügen, um selbst Riesenstädte wie London, New York oder Chikago binnen Sekunden in rauchende Trümmerhaufen zu verwandeln und darüber hinaus ein Gebiet von der Größe Österreichs durch radioaktive Verseuchung unbewohnbar zu machen. In einem dritten Weltkrieg würde es keine Sieger und keine Besiegten mehr, sondern nur 98 prozentig Vernichtete geben." - Und wie äußerte sich Dr. Rudolf Kühn im Fernsehen? "Eine einzige große H-Bombe z. B. auf München geworfen, würde die ganze Stadt restlos wegfegen. Der Krater wäre so groß wie das ganze komplette Stadtgebiet, ca. 25 km im Durchmesser und ungefähr 1200-1800 m tief, also so tief wie der Wendelstein hoch ist. Die Aufwurfhöhe des Kraters würde 300 m Erdhöhe betragen. Im Umkreis von 50 km über die Münchner Stadtgrenze hinaus wären alle Lebewesen durch Druck- und Hitzewelle tot. Im Umkreis von weiteren 200 km würden die Menschen dem Strahlentod erliegen. Lebensbedingungen würden für die spätere Zeit derartig verändert und vergiftet, daß kein Leben mehr aufkommen kann."
   Wäre es angesichts solch grausiger Perspektiven nicht die heilige Pflicht unserer verantwortlichen Staatsmänner, dem wahnwitzigen Treiben einer mörderischen Technik Einhalt zu gebieten und jede Forschung zu unterbinden, die nur dazu dient, die Welt in eine Bombe mit Zeitzündung zu verwandeln? 
   Die Technik könnte eine Quelle unübersehbaren Segens für die gesammte Menschheit erschließen. Ein Wissenschaftler erklärte, man könnte mit einem einzigen Atom eine ganze Großstadt einen ganzen Winter lang kostenlos heizen! Wenn dies eine Tatsache und kein Witz ist, was für ein Ausblick tut sich da auf für weitere ungeahnte Möglichkeiten! Der Mensch, von äußeren Belastungen befreit, könnte sich mit ganzer Kraft dem Allein-Notwendigen, der Rettung seiner Seele zuwenden, denn: "Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, an seiner Seele aber Schaden leidet?" - Aber Erwägungen dieser Art liegen für die heidnischen Geister unseres Jahrhunderts in Lichtjahrfernen.
   Nach Angaben des amerikanischen Atomforschers Prof. Dr. Eduard U. Condon werden in der ganzen Welt jährlich 487 Milliarden DM für Atomrüstungszwecke ausgegeben. Davon 167 Milliarden DM allein von den USA. Von der pro Tag in Amerika für die Rüstung ausgegebene Summe von 19,32 Millionen DM könnte man eine gut ausgestattete Universitätsbibliothek oder ein Krankenhaus bauen.
   Wieviel besser beraten wären sie, die für die Völker und ihr Wohlergehen die Verantwortung tragen, wenn sie auf dieser von Unglück und Not, Hunger und Elend starrenden Welt menschenwürdige Zustände schaffen wollten! Die Welt ist so groß und erzeugt Lebensmittel in solcher Überfülle, daß 30 Milliarden Menschen auf ihr leben und von ihr ernährt werden könnten. Sie wird von nur 3 Milliarden bewohnt und davon verhungert die Hälfte! Ist das nicht eine Kulturschande höchsten Ausmaßes? Ist das nicht eine Anklage des Menschen wider den Menschen, eine Anklage des Bruders wider den Bruder, wie sie fürchterlicher nicht auszudenken ist? Wir wissen um diese Not und tun auch ein wenig etwas dagegen, aber statt durchgreifenden Wandel zu schaffen, verschießen wir Raketen in den Weltraum, verpulvern Milliarden für nichts und wieder nichts, lediglich aus Forscherinteresse und wissenschaftlichem Ehrgeiz. Solange die Technik Milliarden verschleudert, mit den Millionen Verhungernder gerettet werden könnten, solange steht sie im Dienste Satans und ihre technischen Erfindungen sind Werkzeuge Satans, die nur dazu geeignet sind, den Unfrieden und das Unglück auf dieser Welt zu steigern und einer wahren Dämonie des Völkerhasses die Wege zu ebnen. Dies ist auf die wissenschaftliche Forschung gemünzt, soweit ihre Experimente lediglich einem gigantischen Größenwahn und einem unbegrenzten Ehrgeiz frönen. Daß sie ihre technischen Erfindungen aber in Form modernster Kampfmittel in den Dienst lebensnotwendiger Abwehr stellt, ist ihr gutes Recht.
   
   So wie die Dinge jetzt liegen, kommen wir nicht weiter. Die Welt hat sich schärfer denn je in der Geschichte in zwei entgegengesetzte Lager aufgespalten. Ist die Fragestellung: "Christus oder Satan" noch zutreffend für die Gesellschaft von heute? Vom gläubigen Christen her gesehen, ja; vom heidnischen Diesseitsmenschen her gesehen, nein. Denn für ihn geht es ausschließlich um die Annehmlichkeiten dieser Welt, um seinen wohlgedeckten Tisch, sein komfortables Heim, seine Altersversorgung. Er will für jeden Fall gesichert sein. Wer ihm bietet, wonach ihn verlangt, der ist sein Mann. Zu dem steht er, mag er nun Christus oder Satan heißen. Solange es ihm gut geht, ist er zu jedem Zugeständnis bereit, selbst wenn es gilt, seine Seele um einen Judaslohn zu verschachern.
   Wer diesem armen Betrogenen begreiflich machen könnte, daß es eine Sünde gibt und ein Gericht und daß er im Stande der Sünde lebt und diesem Gericht nicht entgehen wird? Und daß er durch seine Haltung genau das verliert, was er mit allen Mitteln zu erringen trachtet: die Geborgenheit und Sicherheit; daß er sich freigewollt in eine Verlorenheit begibt, aus der ihn kein noch so raffiniert ausgeklügeltes Versicherungssystem und keine noch so grandiose Erfindung retten wird. Aber was hilft es, mit Gehörlosen reden zu wollen?
   Auf die Ablehnung Christi folgt offenbar eine Verhärtung des Herzens und eine Verblendung des Geistes, die jeden Zugang in die jenseitige Welt verschließen. Der Mensch hat mit voller Überlegung die Verbindung nach dort abgeschaltet. Er wird sie von sich aus nicht wieder einzuschalten vermögen. Dazu ist allein das Erbarmen Gottes imstande.
   Die Strafe für die bewußte und gewollte Glaubenslosigkeit des heutigen Menschen scheint seine Glaubensunfähigkeit zu sein. Er hat kein Organ mehr für das ganz Andere, das sich außerhalb der Weltraumflüge und der Raketentechnik aus einer völlig anders gearteten Atmosphäre auf ihn zubewegt. Er weiß nichts mehr von Gnade und -, Glaubenkönnen ist Gnade. "Ohne mich könnt ihr nichts tun!"
   Es ist fraglich, ob selbst grauenhafteste Katastrophen imstande wären, ihn aus seiner verrannten Situation herauszureißen und in die verlorene Welt frommer Gläubigkeit zurückzuführen. Zwei schauerliche Weltkriege haben ihn nicht zu bekehren vermocht. Was wir damals in den Nächten des Grauens und der Todesangst und der Verzweiflung schworen und gelobten, ist längst vergessen. Versunken ist jedes Gelöbnis und jeder Vorsatz zur Besserung des Lebens, im Schlamm des Wohllebens und im Sumpf der Sünde. Welt ohne Gott!
   Wir leben in einer zerrütteten Welt, die man nur noch mit Grauen betrachten kann. Das ehedem christliche Europa ist wie ausgeliefert an die teuflichen Mächte der Finsternis, an eine abgrundtiefe Bosheit, die nicht mehr nur das Gepräge des Unmenschlichen und des Untermenschlichen trägt, sondern das des rein Dämonischen. Daß der Mensch seit dem Sündenfall im tiefsten Wesen ein Verbrecher ist, ein Empörer gegen das Gestz Gottes, hat sich in keinem Jahrhundert in solch krasser weise geoffenbart wie in dem unsrigen. Der Satan hat seine Hand im Spiele überall dort, wo es gilt, Menschenseelen zu verderben. Er versteht sich meisterhaft darauf, die schlummernden Instinkte menschlicher Verworfenheit zu wecken und ihnen zum Durchbruch zu verhelfen. Film und Funk, Fernsehen und Presse sind seine bevorzugten und einträglichsten Helfershelfer. Er hat eine dämonisierte Welt geschaffen, in der die Sünde dem Menschen natur- und wesensgemäß geworden ist. Welt ohne Gott!
   Welch christliche Mutter findet heute noch etwas dabei, wenn ihre Tochter mit ihrem Geliebten in Urlaub fährt, wenn sie im selben Hotelzimmer übernachten? Was ist schon dabei? Wie entsetzt war früher eine ganze Gemeinde, wenn irgend ein Sittenskandal ruchbar wurde! Heute ist das Laster zum Gemeingut aller Kreise geworden. Es hat seine schmutzigen Schlupfwinkel in den Hinterhöfen der Großstädte verlassen, es ist gesellschaftfähig geworden. Die Dirnen fahren heute mit chromblitzenden Luxuswagen auf nächtliche Männerjagd und trotzen polizeilichen Absperrmaßnahmen. Pariser Eleganz und Parfüm überdecken die zum Himmel stinkende Fäulnis der sittlichen Verkommenheit, die ihren Weg gefunden hat bis ins letzte Bauernnest. Wenn diese Todeskrankheit jeden Befallenen mit einem sichtbaren Merkmal zeichnen würde, wieviele von denen, die uns täglich begegnen, würden das Lastermal nicht auf ihren Stirnen tragen? Welt ohne Gott!
   (persönliche Anmerkung: So manch´ einer wird vielleicht mit den Kopf schütteln, weil sie es nicht glauben können was hier steht. Aber es ist die Wahrheit. Wenn man bedenkt, auf welche Ideen die Menschen kommen, nur weil sie "modern" sein wollen, das ist schon krank. Als ich mir vor 10 Jahren bei einem Arbeitsunfall die ersten Glieder von zwei Finger abgeschweißt habe, da hätte ich alles dafür gegeben, wenn man sie mir wieder angenäht hätte. Aber man konnte es nicht. Und dann gibt es Menschen, die aus ästhetischen Gründen sich einer kosmetischen Operation unterziehen. In Brasilien entfernt man den letzten Rippenbogen um eine schmalere Taille zu bekommen, und von den diversen Implantaten ganz abgesehen. Die Frage wäre, was kommt als nächstes, denn das Rad bleibt nicht stehen.
   Werfen wir einen Blick zur Gleichgeschlechtlichkeit. Wieviele von ihnen, sind wirklich so geboren, und wieviele haben diese Grenze selbst durchbrochen? Eine Bekannte von mir sagte mal zu mir: "Ein bisschen Bi schadet nie." - Wenn sie sich da mal nicht täuscht!)
   Wir haben uns offenbar mit diesen heidnischen Greueln abgefunden wie mit jener anderen Tatsache, daß die Luft unserer betriebsamen Städte mit Giftgasen geschwängert ist, die uns die Lungen zerfressen.
   Ein Professor, der die Welt durchreiste, berichtet, abe die Herrlichkeiten der Natur in vielen Ländern bestaunt, er habe aber auch tief in die Kloaken der menschlichen Verkommenheit geschaut; überall fand er Menschen in unsittlicher Vertiertheit dahinleben und er habe darüber den Glauben an die Menschheit verloren... Wer kann es ihm verdenken?
   Die Begriffe Sünde, Verführung, Ärgernis haben der großen Mehrheit nichts mehr zu sagen. Was heißt schon Sünde? Die anderen tun doch genau dasselbe. Was heißt Ärgernis? Wer ärgert sich schon über Dinge, die zur Selbstverständlichkeit geworden sind?
   Aber Gott läßt bekanntlich seiner nicht spotten und nicht immer mahlen seine Mühlen langsam. "Jerusalem, Jerusalem, wie gerne wollte ich deine Kinder um mich sammeln, wie eine Henne ihre Kücklein unter ihre Flügel sammelt, du aber hast nicht gewollt!" Jerusalem, die Stadt der Prophetenmörder, wurde dem Erdboden gleichgemacht. Kein Stein blieb auf dem anderen, Mauerreste waren noch da, groß genug, auf daß ein Weinender sein Haupt daran lehne!"
   Und auf welch grauenhafte Weise hat sich der vermessene Schrei im Gerichtshof des Pilatus erfüllt: "Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!" 80 000 Juden wurden von den Römern gekreuzigt. Millionen gingen durch den Gewaltverbrecher Hitler und seine Henker zugrunde. Und jeder, der Sünde tut und Gottes Gebot verachtet oder sein Gnadenangebot ablehnt, spricht die gleiche furchtbare Selbstverfluchung über sich aus. Es wäre in der Tat besser, solch ein Mensch würde nicht geboren.
   In der Apokalypse 12/12 lesen wir: "Herabgekommen ist der Teufel zu euch mit großer Wut; er weiß, daß er nur noch wenig Zeit hat." Und Katharina Emmerich sagt: "Unsere Zeit ist eine Epoche des Teufels, in der Satan aus dem Abgrund von Nacht auf eine Zeitlang freigelassen wurde."
   Ein altes Sprichwort behauptet: "Wo der Unglaube zuhause ist, da sitzt der Aberglaube an der Schwelle." Was für ein unerhörter Schwindel und Betrug wird nicht von geschäftstüchtigen Unternehmen in Szene gesetzt um aus der Dummheit der abergläubischen Masse Kapital zu schlagen! Da gibt es Wahrsagebücher, Traumbücher, Sympathiemittel kuriosester Art, Schutzbriefe, Kettenbriefe, Himmelsbriefe, Planetenbücher... In den amerikanischen Hochhäusern gibt es kein 13. Stockwerk. Man kommt vom 12. ins 14. Es gibt auch kein Hotelzimmer Nr. 13, keine Straßenzeile mit der Hausnummer 13. Der furchtlose Gewaltmensch Napoleon hatte eine heillose Angst vor jedem Freitag! Möchte man es für möglich halten, daß in unserem aufgeklärten Jahrhundert im Jahre 1959 70 regelrechte Hexenprozesse stattfanden! Daß die Zahl der berufsmäßig tätigen "Hexenbanner" an die 10 000 Mitglieder beträgt?
   Der Mensch ist dazu geboren, Gott zu dienen und ihn zu verherrlichen und nicht dazu, mit der Schöpfung Gottes Götzendienst und Teufelskult zu treiben. "Der Aberglaube ist ein Gewand von irisierendem Farbenspiel, das sich Mephisto um die Schultern wirft, um den Einen nachzuäffen, den er haßt und den er um die Verehrung der Menschen betrügen möchte." Ein Wort von P. Schmid SJ. Talisman 10.
   Gundermann schreibt im Jahre 1615: "Die heiligen Bücher, die uns von der Liebe und dem Erbarmen Gottes und von den Werken christlicher Barmherzigkeit reden, sind nicht mehr in Übung und Ansehen. Jedweder kauft Teufelsbüchlein und Reime von verborgenen, zauberischen und teuflischen Künsten. Die Welt ist wankelmütig geworden im Glauben, aber desto abergläubischer in allem Teufels-, Spuk- und Zauberwesen, daß Gott erbarm!" Und 300 Jahre später, im Jahre 1961?
   Was ist über den grandiosen Schwindel der Horoskope zu sagen? Es gibt ernsthafte Astrologen, die von der Astrologie als von einer Wissenschaft sprechen. Wenn sie eine solche wäre, müßten sie ursächliche Zusammenhänge exakt beweisen und logisch begründen können. Das aber ist ihnen bis heute nicht geglückt. Eigentlich müßte sich der gesunde Hausverstand sagen: Wenn Tausende von Menschen die gleiche Sternenkonstellation haben, warum haben dann keine zwei von allen dasselbe Schicksal? Welch eine lächerliche Überheblichkeit des Menschen, dieses verschwindend winzigen Wesens im Weltall, sich einzubilden, sein Schicksal sei in den Sternen geschrieben! Das Riesenuhrwerk der Himmelskörper drehe sich seinetwegen wie eine Glücksmühle auf dem Jahrmarkt oder wäre einem Wahrsagerkasten vergleichbar, aus dem ein zahmer Rabe einen Schicksalsbrief zieht, dessen Inhalt todsicher bestimmend für die Zukunft ist!
   In den USA gibt es 30 000 Berufsastrologen, 200 astrologische Zeitschriften mit einer Gesamtauflage bis zu 500 000 Exemplaren! Wieviel uneingestandene Ratlosigkeit offenbart sich doch in dem Bestreben, sich Orientierung, Lebenshilfe, Trost und Zuspruch aus einem Horoskop zu holen, das irgend ein Verlagsangestellter fabriziert und das von den Zeitungen nur abgedruckt wird um einem Wunsch des schlechtberatenen Lesers entgegenzukommen und so den Absatz zu steigern. Anstatt sich der führenden Hand des allmächtigen und allgütigen Gottes zu überlassen, sucht der Mensch unserer Zeit auf Irrwegen Hilfe und Rettung. Welt ohne Gott!
   
   Und wie sieht es mit unseren Illustrierten aus? Gibt es auch nur eine ohne Kitsch, ohne Sex, ohne Brutalität, ohne eine phantasievoll verhüllte, vielleicht sogar mit Vornehmheit getarnte Spekulation auf die niedrigen Instinkte des Lesers? Hier werden die wahren, echten, edlen menschlichen Werte auf den Kopf gestellt und das Abnorme, Verbrecherische, Anstößige, Dekadente, der Ausnahmezustand als normal gezeichnet. Der Leser wird in eine Traum-, Schein- und Märchenwelt geführt, in die sogenannte "große Welt," die in Wirklichkeit die Unterwelt unserer Zivilisation ist. Da werden Tatsachen durch geschickte und raffinierte Zutaten zu aufreizenden Sensationen zurechtfrisiert, die das wahre Leben verzerrt und verfälscht und vergiftet wiedergeben. Abwegigkeiten, Mord, Verbrechen, Scheidungen, Skandale, Gewalttaten, unwahrscheinliche Vorkommnisse, verlogene Situationen, zusammenphantasierte Widerlichkeiten füllen die Seiten der gierig verschlungenen Sensationspresse.
   Und die Wirkung? 200 junge Menschen werden jährlich wegen Mordes und 5000 Jugendliche wegen Körperverletzung vor deutsche Gerichte gestellt. Und wir wundern uns über eine Jugend, die sich bedenkenlos hinwegsetzt über Moral, Gesetz und Religion, und zu jeder Gewalttat bereit ist? Wer hat sie dazu angeleitet? Wo sind die eigentlich Schuldigen, die mit auf der Anklagebank sitzen und mit im Gefängnis büßen müßten?
   Die Presse sollte ein Werkzeug der Wahrheit sein, sollte den Geschmack des Lesers bilden und formen, ihn aufschließen für das wahrhaft Schöne, Gute, Menschenwürdige, sollte ihn moralisch beeinflussen und höher Führen. Das wäre ihre Aufgabe. Jeder Leser, der wahllos die Illustrierten kauft und ihnen so zu Massenauflagen verhilft, macht sich mitschuldig an all dem Unheil, das aus solcher Lektüre erwächst. Mit jedem 50 Pfennigstück, das man dafür ausgibt, wird diese Welt ohne Gott untermauert.
   Man kann sich nur darüber wundern, daß keiner von Rang und Namen soviel Mut der Verantwortung und soviel Gewissen, soviel Zivilcourage besitzt, daß er die Fäuste ballt und auf die Redaktionstische der skrupellosen Stimmungsmacher, Propagandahelden, Meinungsfabrikanten und Geldsackjäger schlägt, daß die Blätter fliegen und der die Rotationsmaschinen zum Stehen bringt, die im Dienste Satans stehen und seine Aufträge ausführen. Bismarck hat die Presse seiner Zeit schon die "Hure der Politik" genannt. Was würde er wohl von den Brutstätten der Unmoral unserer Tage halten?
   Aber die Feigheit ist ein charakteristisches Merkmal dieser infolge ihrer Gottlosigkeit in allen Sparten korrupten Gesellschaft, die trotz deutlicher Untergangserscheinungen immer noch nicht sieht, wohin diese geistige Anarchie einer Welt ohne Gott zwangsläufig führen muß.
   Was heute Kunst heißt, ist eine grausig krankhafte Entartung verworrener Geister, zerstörter Seelen und verdorrter Herzen. Wie der Krebs die gesunde Zelle entarten und wuchern läßt, genau so läßt der Unglaube, der Irrwahn und Selbstüberhebung erzeugt, den gesunden Menschenverstand entarten in Wahnsinn und Irrsinn, so daß ihm perverse Produkte normal erscheinen, die man nicht anders als Ausgeburten und Mißgeburden einer verdorbenen Phantasie bezeichnen kann. Außerdem trägt die Pornographie am meisten ein. Was heute irrtümlicherweise als "Kunst" bezeichnet wird, = Nihilismus, Gestalt gewordene Absurdität.
   
   Ist die Dummheit heilbar? Anscheinend nicht. Gegen dieses tiefverwurzelte chronische Übel ist bis heute kein Kraut gewachsen. Aber die Gedankenlosigkeit dürfte heilbar sein. Sie ist eine höchst gefährliche Krankheit, die unabsehbare Folgen zeitigen kann. Ihr christlichen Mütter, schaut euch einmal eure Erstkommunikantinnen an! Was macht ihr aus diesen Kindlein, deren natürlicher Liebreiz und deren bezaubernde Unschuld ihr schönster und unnachahmlicher Schmuck wäre? Als Modepüppchen, als Laufstegmannequins, als elegante Dämchen laßt ihr sie aufspazieren. Monatelang zuvor schon liegen die neuesten Modejournale auf dem Familientisch und werden eifrigst studiert. Ist auch ein Gebetbuch dabei? Die letzten Illustrierten fehlen ebenfalls nicht, die Gift verspritzen, und eure Kinder blättern ungehindert darin herum. Und wo ist die Bibel, ihr christlichen Mütter?
   Dieses heiligste aller heiligen Feste im Leben eines jeden katholischen Christen, dessen Erinnerung ihn auf seinem ganzen Lebensweg wie ein Stern begleiten und dessen Leuchten noch seine Sterbestunde verklären sollte, habt ihr in einen rein weltlichen Rummel verkehrt. Die Hauptsache ist der Pomp, die äußere Aufmachung, der Gabentisch, der aufgebaut wird, als ginge es um eine Fürstenhochzeit. Und das Eigentliche, das Wesentliche, das worauf allein es ankommt: die mystische Vermählung der Seele mit Christus, das bräutlich-zarte Verhältnis, das hier seinen Anfang nimmt, das Treugelöbnis, das dem ganzen Leben seine Prägung geben soll, was hat es noch zu bedeuten?
   Wißt ihr selber und weiß euer Kindchen, worum es geht? Habt ihr ihm Herz und Seele aufgetan für das Wunder der Liebe, für die unermeßliche Herrlichkeit, der es entgegengehen darf? Hat es begriffen, daß ihm bräutlicher Schmuck geziemt, weil es in der Tat ein Bräutchen ist? Und daß es sich für Ihn schmückt, für den Einen, der fürder sein Dasein beherrschen und formen soll. Daß es nicht zu glänzen bestimmt ist für die Mitschülerinnen, für die Verwandten und Bekannten und nicht für die neugierigen Gaffer, die Spalier stehen, wenn es hinschreitet zum Altare Gottes, um ihm sein kleines Herz zu schenken?
   O ihr Mütter! Wieviel Eitelkeit, wieviel Torheit, wieviel Selbstgefälligkeit, wieviel Überheblichkeit, wieviel Ungenügsamkeit, wieviel Unzufriedenheit wird nicht durch eure Dummheit und Gedankenlosigkeit in der Seele eures Kindes geweckt! Wie viele unwiederbringliche Werte werden für immer verschüttet, wie viele köstliche Blütenansätze für immer geknickt, wie viele edle Keime für immer zertreten! Was hier verloren geht, ist und bleibt für Zeit und Ewigkeit verloren. Und Gott wird dereinst die Seele eures Kindes von euch fordern!
   
   Wenn man die Hast und Eile betrachtet, mit der so manche Christen heute inmitten paradiesischer Gärten ihre Häuser, besser gesagt, ihre Miniaturpaläste errichten und ausstatten mit fürstlicher Pracht, dann möchte man meinen, sie hätten den Garantieschein für das ewige Leben auf dieser Welt in der Tasche. Oder steckt hinter dieser Eile nicht vielmehr jene uneingestandene Angst, es möchte am Ende der schon bereitstehen, der einem jeden von uns früher oder später einmal die eiskalte Knochenhand auf die Schulter legen wird?
   
                                                                                     
   
   Das Pauluswort vom "besitzen als besäße man nicht," ist von weitest tragender Bedeutung, greift es doch hinab bis in die tiefste Wurzel der menschlichen Existenz.
   Haben und Besitzenwollen ist geradezu ein uns innewohnender Wesenszug, der sehr viele, wenn nicht die meisten unserer Handlungen bestimmt. Wir sind gezwungen uns Hab und Besitz zu beschaffen, der Mensch braucht ein Zuhause und hat mancherlei Dinge nötig, die ihm unentbehrlich sind oder so scheinen. Es ist naheliegend, daß des Menschen Herz sich an diesen Besitz klammert, allmählich mit ganzer Seele daran hängt und daß er schließlich verwächst mit den Dingen der Erde, die ihm sein Dasein lebenswert machen. Je mehr er aber in den Bann des Irdischen und seiner Verlockungen gerät, desto weniger wird er ein Bedürfnis haben nach jenen Werten, die jenseits der irdischen Sphäre liegen. Um dieser äußerst gefährlichen Situation zu steuern, und vor dem Verderben zu bewahren, das dem Verlust jener höheren Werte folgen müßte, gibt Paulus den Rat, der so einfach klingt und so schwierig durchzuführen ist: besitzen als besäße man nicht. Das Wort setzt also Besitz voraus, schränkt ihn jedoch in echt christlicher Schau mit dem äußerst bedeutsamen Aber ein: ... als besäße man nicht!
   Man lasse diesen Nachsatz auf sich wirken, stelle sich all die Dinge und Geschöpfe vor Augen, an die Herz und Sinn sich klammern und ohne die wir nicht leben zu können glauben. Wenn wir Paulus richtig verstehen, heißt es also, all dies so zu haben, als hätten wir es nicht, was gleichbedeutend ist mit Loslösung, mit innerem Freisein von jeder Bindung an irdische Werte, mit Unabhängigkeit von allem, was diese vergängliche Welt zu bieten hat. Gewiß keine leichte Forderung. Wenn wir aber dieses Wort allen Ernstes überdenken, überlegen, überbeten, dann gelangen wir auf jene Ebene, von der aus die verlockenden Dinge der Erde und ihre ganze Herrlichkeit genau so an Bedeutung verlieren, wie die wunderbaren Einzelheiten einer Landschaft, von einem hohen Berggipfel aus betrachtet. Was uns unten so groß, gewaltig und erhaben dünkte, hier oben wird es klein und unbedeutend. Die unendlichen Fernen, die unermeßlichen Räume um uns herum, lassen zusammenschwinden, was unter uns liegt. Was hat das alles noch zu bedeuten? Christ sein heißt, auf schwindelerregenden Graten wandeln. Die Dinge der Erde zu gebrauchen solange wir im Leibe wohnen, weil wir ihrer bedürfen, und gleichzeitig so unabhängig davon zu sein, daß wir jeden Augenblick für immer davon lassen könnten mit jener Unbekümmertheit und Unbeschwertheit des Herzens, die in dem Lied des Volkssängers so wunderbar zum Ausdruck kommt: "... dann leg´ ich meinen Hobel hin und sag´ der Welt ade!"
   
   Es ist merkwürdig, was für seltsame Wertverschiebungen und Wertverfälschungen sich zwangsläufig aus der gottlosen Haltung des Menschen ergeben. Irgendwie scheinen die Dinge, auch die alltäglichen, auf die schiefe Bahn zu geraten, vom Stempel des Heidentums geprägt zu sein.
   Ein Beispiel dafür: Auf dem Flugplatz einer Großstadt landet eine Düsenmaschine aus Übersee. Es entsteigt ihr eine Filmdiva, eine sog. Leinwandgöttin, zu der Christus sagen müßte: Sieben Männer hast du gehabt und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann! Aber dieses menschliche Unikum wird mit Pomp und Ehren empfangen. Hohe Herren stehen in Gala bereit, um sie mit Rosensträußen und klingenden Begrüßungsworten willkommen zu heißen. Ein Dutzend Kamerabewaffnete Reporter lassen keine ihrer Bewegungen aus dem Auge. Sensation muß sein, Sensation minderwertigster Qualität, das ist für den sensationslüsternen Menschen unserer Tage begehrtes Futter.
   Derselben Maschine entsteigt eine etwa 60 jährige Ordensfrau. Müde und verbraucht sieht sie aus. Ein wenig gebückt steht sie da mit ihrem armseligen Köfferchen und wartet offenbar auf eine ihrer Mitschwestern, die sie abholen und in ihr Heimatkloster bringen soll, das ihr längst zur Fremde geworden ist. 40 Jahre lang hat sie unter schwierigsten Bedingungen für das Reich Gottes gearbeitet; hat Kranke gesund gepflegt, Verzweifelte getröstet und Verirrte auf den Weg des Heils gestellt. Da steht sie nun nach einem überreichen Leben voll herrlichster Liebestaten. Keiner würdigt sie auch nur eines Blickes. Und doch gehörte gerade sie auf den Schild gehoben und im Triumph durch die Straßen unserer genußsüchtigen Städte getragen, für die der Begriff "Opfer" nicht mehr existiert. - Welt ohne Gott!
   Gibt es für uns Christen keine Möglichkeit mehr, dieser dämonischen Besessenheit und Verfallenheit des heutigen Menschen an den Betrieb, die Arbeit, den Genuß, Einhalt zu gebieten? Die Gegensätze auszugleichen, Widersprüche zu klären, Brücken zu schlagen? Die Wissenschaft und das ganze menschliche Wirken in Beziehung zu bringen zu Ihm, "in dem wir atmen, uns bewegen und sind?"
   Sag einem Menschen von heute, daß sein Dasein ein Geschenk Gottes ist, daß jeder Atemzug, den er nimmt und jede Bewegung, die er ausführt, ihm aus der Gnade und aus der Kraft Gottes kommt und daß in demselben Augenblick, in dem Gott es wollte, das stolze Leben des stolzesten Geistes wie ein Kerzenflämmchen erlöschen würde, wenn ein Luftzug darüber streicht! Er wird dich auslachen und für einen Phantasten halten. Und wenn unsere glühendsten Gottesstreiter auf die Dächer stiegen und mit der Lautstärke der Posaunen des Weltgerichts das Reich Gottes verkündeten, was wäre die Folge davon? Gelächter! Wahrlich, es führt kein Weg mehr zum Menschen, sobald er sich der Dämonie irgend einer Kategorie ausgeliefert hat. Er hat den Baum des Lebens an der Wurzel abgesägt. Noch steht er eine Weile, als wäre nichts geschehen, aber er ist rettungslos verloren, jeden Augenblick kann er zusammenkrachen. - Welt ohne Gott!
   Voltaire, dieser grimmigste aller grimmigen Gotteshasser, der ein solch grauenhaftes Ende nahm, daß die Krankenschwester, die an seinem Sterbelager stand, erschaudernd sagte: Wahrhaftig, wenn der Teufel sterben könnte, so und nicht anders würde er sterben, dieser selbe Voltaire hat einmal zu dem ihm befreundeten Friedrich dem Großen gesagt: "Ich stimme nicht mit einem einzigen Wort mit dem überein, was du sagst, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, daß du es immer sagen darfst ...!" Eine treffendere Definition für das Wesen der wahren Demokratie ist kaum möglich.
   Darf man in diesem Zusammenhang bei aller schuldigen Achtung unsere christlichen Politiker und Staatsmänner fragen: Warum hört man keinen von euch jemals den Namen "Christus" in den Mund nehmen? Warum beginnt ihr euere Tagungen nicht "im Namen Christi?" Warum weist ihr nicht bei hundert Gelegenheiten mit erhobenem Finger hin auf das Wort Gottes, auf die Gebote Gottes, die heilig sind und unverletzlich? Warum hört man stets nur von Ethik und Moral? Selten einmal fällt beu euren Vorträgen und Streitgesprächen das Wort Religion. Ist Christus, ist sein bloßer Name schon "heißes Eisen" geworden? Muß man auch hier traurigen Herzens sagen: Welt ohne Gott?
   Es stünde wahrhaft anders um diese unglückliche Welt, wenn ihr Christus zu euren Konferenzen laden und ihm den Vorsatz geben würdet, der ihm gebührt. Besprecht eure Paragraphen, eure Erlasse, eure Pläne und Vorschläge mit ihm oder in seinem Namen, trefft keine Entscheidungen ohne seine Mitsprache. Macht ihm die Tore auf zu euren Konferenzsälen und es wird Friede werden auf dieser vom Unfrieden zerrissenen Welt. Friede unter den Geistern, Friede in den Gemütern, Friede im eigenen Volk und Friede zwischen den Völkern, die diesen Planeten bewohnen. Und dies wäre das Ende der dreimal verdammten Atombombe.
   Hier ein Wort von Johannes XXIII. das er in Castelgandolfo sprach: "Wenn die Menschen sich einigten im Wollen des Reiches Gottes, wäre nicht mehr diese Menge an Mißhelligkeiten und Rededuellen; die Angst und das Bangen vor neuen Kriegen würde wegfallen; man müßte nicht mehr zusehen, wie sich die Kinder Gottes der Wut gegenseitiger Vernichtungsmittel überlassen."
   Und bei einer anderen Gelegenheit hören wir ihn das prophetisch anmutende Wort sprechen: "Nein, Gott sei Dank, die atheistischen und materialistischen Vorstellungen von Leben und Geschichte werden nicht Sieger bleiben."
   Ein Wort von Pasternak:
   "Ich bin jetzt nahe meinem Grab. Doch glaube ich, daß die Zeit kommt, da der Geist die Gemeinschaft und Niedertracht besiegen wird."
   Welch ein Paradox eigentlich, daß der Mensch in seiner ungeheuren Bedrängnis nur die Hand auszustrecken bräuchte um aus der göttlichen Fülle alles zu empfangen, was er mit keinem Aufgebot seiner Kraft zu erringen vermag; daß er das Heil vom Menschen erwartet, dem Inbegriff der Ohnmacht, die er stündlich an sich selbst erfährt!
   
   Was sollen wir tun, ja, was können wir tun, wir Christen, um der permanenten Zerstörungstendenz religionswidriger Kräfte wirksame Gegenkräfte und Aufbaukräfte entgegenzusetzen? Was können wir dem Menschen, der nur noch auf der Technik fußt und nur noch äußere Werte gelten läßt, an inneren Werten entgegenstellen, um ihn zur Umkehr zu bewegen, um ihn zur Rückkehr zum Wesentlichen zu veranlassen? Klingt diese Frage nicht wie ein Hohn angesichts der tatsächlichen Lage, in der wir uns befinden? Aber sind wir denn nicht die Kinder eines allächtigen Vaters? Er vermag doch auch diese dämonisierte Welt durch Mittel, die nur er kennt und auf Wegen, die nur ihm gangbar sind, in eine vergöttlichte Welt zurückzuverwandeln, die ihre technische Großtaten in den Dienst seiner Ehre und Verherrlichung stellt und zum Heile der Menschenbrüder einsetzt, denn bei Gott ist ganz einfach kein Ding unmöglich. Hat er nicht zu der verzagten Martha am Grabe ihres Bruders gesagt: "Glaube nur und es wird geschehen!"
   Es ist für uns nicht leicht, bei einer innerlich unwandelbaren, keinesfalls kompromißbereiten Grundhaltung mit einer Umwelt fertig zu werden, die ganz dem Diesseits ergeben ist. Der Widerspruch ist so schmerzlich wie er evident ist. Übersehen wir die Demarkationslinie nicht, die uns vom Heidentum trennt! Es besteht die Gefahr, daß wir so ganz allmählich, unmerklich, hier ein kleines Zugeständnis machen, dort ein wenig nachgeben und uns mit dem Gedanken befreunden, es wird weiter nicht schlimm sein, eine gewisse Anpassung ist schließlich nur zeitgemäß.
   So greift unter uns Katholiken allmählich die Unsitte Platz, beim Gottesdienst gemächlich zu sitzen, wie die Heiden in der Arena ihrer Festspiele. Was auf unseren Altären geschieht, ist das erhabenste Drama, das sich je auf dem Weltforum vollzog. Christus bringt sich seinem Vater für uns dar; erleidet geheimnisvoller Weise den Opfertod täglich von neuem; immer wieder wird das Lamm geschlachtet, das hinwegnimmt die Sünden der Welt. Und wir sitzen da wie im Kino, als wenn es um Unterhaltung und Zeitvertreib ginge, gedankenlos, wie wir nun einmal sind. Hier darf es nur eine Haltung geben: Auf die Knie mit allem was Knie hat, vor Ihm, dem Heiligsten, bei dessen Anblick die seligen Geister ihr Antlitz mit den Flügeln bedecken.
   Der christliche Lebenswandel ist eine äußerst ernsthafte Angelegenheit. Kennen wir Christen noch eine persönliche Bewältigung religiöser Probleme, setzen wir uns je einmal persönlich mit den Dingen auseinander, stehen wir je einmal Gott sozusagen Aug in Aug gegenüber, oder begnügen wir uns mit angestammter Kirchenfrömmigkeit, geboren aus einer romantischen Vorliebe für die Herrlichkeiten, die uns die religiöse Kunst und die Musik mittelalterlicher Frömmigkeit als kostbares Erbe hinterlassen hat? Auch dies ist ein Punkt, der im Auge zu behalten ist.
   Das Wort, das Paulus an die Epher richtet, gilt auch uns: "Brüder, erneuert euch in eurer inneren Gesinnung und ziehet den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist, in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit. Darum legt ab die Lüge und redet die Wahrheit ein jeder mit seinem Nächsten!" Und wieder: "Seht zu, daß ihr vorsichtig wandelt, nicht wie die Toren, sondern wie Weise, nützet die Zeit aus, denn die Tage sind böse." Und nochmals: "Legt an die Waffenrüstung Gottes, damit ihr den Nachstellungen des Teufels Widerstand leisten könnt, denn wir führen unseren Kampf nicht gegen Fleisch und Welt, sondern gegen Mächte und Gewalten, gegen die Weltherrscher der Finsternis hienieden, gegen die Geister der Bosheit in den Lüften!" Ergreifet darum die Waffenrüstung Gottes, damit ihr am bösen Tag widerstehen und in allem unerschütterlich standhalten könnt. Ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihr alle Brandpfeile des Bösen auslöschen könnt. Nehmt das Schwert des Geistes, das Wort Gottes!"
   Was uns nottut zur Erneuerung dieser Welt ohne Gott, ist der wahrhaft christliche, durch und durch katholische Mensch, der Christus verkörpert, der Christus lebt und für ihn zu sterben bereit ist. Es müßte von ihm eine Gegenkraft ausstrahlen von ungeahnter Wirkung. Sind wir uns dessen bewußt, daß wir in Christus Träger einer unüberwindlichen, weltbeherrschenden und weltbezwingenden Macht sind, gegen die alles was sich für Macht hält und Macht zur Schau trägt, nur Bluff ist, aufgeblasenes Nichts, verweslich wie das welke Blatt am Baum? Stich mit einer Nadel in einen Luftballon, was wird daraus? Dies ist ein treffliches Bild des von seinem dämonischen Hochmut erfüllten, von den Segeln seiner Eigenherrlichkeit geschwellten Ungeistes, der Gott verneint. Ein kleiner Nadelstich des Schicksals und vorbei ist Glanz und Pracht und Selbstvergottung.
   Es frägt sich: Was sollen wir tun? Organisationen, Vereine, Versammlungen, Kundgebungen, religiöse Veranstaltungen, Wallfahrten, Glaubensbekenntnisse, Feierstunden, - hat alles seinen Wert, - bringen sie uns aber im Wesentlichen voran? Dringen wir durch sie wie mit Eisenkeilen hinein in die breiten versteinerten Fronten, die der Unglaube und die Glaubensgleichgültigkeit aufgerichtet haben? Erwerben wir durch sie die Fähigkeit, Einlaß zu finden und Einfluß zu gewinnen auf die gottentfremdete Welt, oder ist dies alles trotz bester Absicht bei aller Ehrlichkeit der Gesinnung nicht viel mehr als ein zur Schau gestelltes Christentum? Stehen wir nicht vielmehr mit all unseren Bemühungen "allein auf weiter Flur?" Wo bleibt das Echo, der Widerhall? Wo zünden die Funken unserer Christusleidenschaft, wo brennen die Feuer, die wir entfachen? Was muß geschehen, damit diese Funken zünden, damit dieses Feuer hoch auflodere, jenes heilige Feuer, von dem Christus ausdrücklich sagt: "Was will ich mehr als daß es brenne?"
   Stehen wir hier nicht hilflos wie vor einem erschütternden Dilemma? Erdrückt vor der schmerzlichen Erkenntnis eines grenzenlosen Versagens? Einer straff organisierten Horde von Gotteshassern und Gottesleugnern gegenüber, wir, die Handvoll, die kleine Herde, die das Stigma Christi trägt, völlig machtlos von uns aus gesehen und völlig ungefährlich vom anderen Lager her gesehen? Menschlich betrachtet ist es so.
   Trotzdem ist die Macht auf unserer Seite und mit der Macht der Sieg, der die Welt überwindet, der endgültige Sieg. Für uns gilt das Wort Christi, das er zu seinen Widersachern sprach: "Ich bin nicht allein, der Vater ist bei mir." Was heißt das für ihn? Daß er herrschen wird in Ewigkeit und daß seines Reiches kein Ende sein wird. Was heißt es für uns? Genau dasselbe.
   
   Aber diesem Herrschen in Ewigkeit geht das Kreuztragen in der Zeit voraus. Wie für ihn, unseren Christus, gilt auch für uns in dieser Welt ohne Gott: "Und sein tragend, ging er hinan nach Golgotha!" Müßte es nicht richtiger heißen: geht er hinan, hat er doch niemals im Laufe der Jahrhunderte auch nur einen Tag aufgehört, es zu tun. Es ist überaus wertvoll und nutzbringend für unser innerliches Leben und Streben, die uns geläufige menschliche Denkart so zu korrigieren, daß wir das was für unsere Begriffe zweitausend Jahre zurückliegt, als Gegenwart nehmen; das was vorbei und gewesen erscheint, als ein eben sich Vollziehendes betrachten und dies im Hinblick auf alle Geheimnisse des Lebens und Leidens Christi!
   Was folgt daraus für mein praktisches Leben? Wenn dem so ist, dann schlägt ja jetzt in diesem Augenblick die Stunde meiner Leidens- und Opferbereitschaft für Christus. Welch ein Trost zu wissen: bis zu meinem letzten Atemzug ist mir die Möglichkeit gegeben, den verhöhnten, entehrten, gehaßten, geschmähten, gequälten, mißhandelten, gekreuzigten und sterbenden Christus zu trösten, wie nur ein mitfühlendes Herz ein anderes Herz zu trösten vermag. Jeder liebende Gedanke erreicht ihn, jedes für ihn getragene Leid ist Balsam auf seine Wunden, jede Bitterkeit, die sie seinetwegen verkoste, lindert seine Todesnot. Diese Einstellung führt zu einer lebendigen Christusverbundenheit, zu einer stets wachen Bereitschaft, das Kreuz mutig aufzunehmen und ihm nachzufolgen, trägt er es doch vor unseren Augen voran.
   Wie richtig gesehen dies ist, beweisen die Erlebnisse der mystischen Seelen aller Zeiten, nicht zuletzt unseres Jahrhunderts. Der Herr bietet ihnen sein Kreuz, seine Dornenkrone an. Er zeigt sich ihnen in einer Seelenverfassung von unendlicher Trauer, wartend auf ein leidensbereites Ja und "suchend wer ihn tröste." Ist dies nicht eine deutliche Gegenwärtigsetzung seiner Passion? Die begnadeten Menschen sterben nicht aus, die seine Wunden sichtbar tragen: durchbohrte Hände, durchbohrte Füße, durchbohrtes Herz, dornengekröntes Haupt, die Seele voll unendlicher Verlassenheit... Wie tief hat der hl. Paulus diese geheimnisvollen aber absolut wirklichen Zusammenhänge geschaut, wenn er bekennt: "Mit Christus bin ich ans Kreuz geheftet!"
   Wie aber ist all dies zu verstehen? Wie kann dem in der Herrlichkeit des Vaters unermeßlich seligen Christus mit unserem Leiden und Opfern heute etwas gedient sein? So wie er ständig sein Leiden und Sterben in mystischer Weise unter uns gegenwärtig setzt und sich immerfort dem Vater aufopfert zur Sühne für die unablässig begangenen Sünden, so können wir ihm auf dieselbe mystische Weise unsere Opfer und Leiden darbieten, damit er sie zu den Seinen lege zur Rettung der Seelen und zur Verherrlichung des Vaters.
   Als er im Garten von Gethsemane das unvorstellbare Grauen des nahenden Todesleiden durchlebte, da sah er jeden von uns in göttlicher Schau, und der Kelch der Stärkung, den ihm der Engel des Trostes reichte, enthielt alle unsere Opfer, unsere Bereitschaft teilzuhaben an seinem Erlöserleiden. In jener Stunde sah er, daß es trotz der Verworfenheit des Menschengeschlechtes stets und bis zum Ende der Zeiten Seelen geben würde, die ihm verbunden sind und bedacht, ihn zu trösten.
   Wie aber kann es geschehen, daß ich den sterbenden Christus nach zweitausend Jahren tatsächlich zu trösten vermag? Gott, der Ewige, aus sich Seiende, kennt keine Zeitbegriffe der Vergangenheit und der Zukunft. Für ihn ist das was für uns in tiefster Vergangenheit oder in fernster Zukunft liegt, eine immerfort in sich ruhende Gegenwart. So ist auch noch der letzte Mensch mit seinem letzten Opfer dem Herrn in seiner Todesnot am Kreuz so nahe wie die weinenden Frauen und die höhnenden Pharisäer von einst.
   Zu welcher Größe wächst der Mensch und wie bedeutungsvoll wird seine Lebensaufgabe, wenn man ihn in diesem Zusammenhang betrachtet! Kurzlebig und schnell vergessen von seinesgleichen, wie er ist, steht er doch mit all seinem Tun und Lassen seit Ewigkeiten und für Ewigkeiten im Blickfeld Gottes, eine beängstigende und trostreiche Tatsache zugleich: beängstigend, wenn wir der persönlichen Rechenschaft gedenken, der keiner entrinnen wird, denn auch unsere tiefsten, letzten und heimlichsten Motive sind ihm restlos offenbar; und tröstlich, liegen doch alle, auch unsere stillsten Gedanken und Taten der Liebe, die wir vielleicht selber längst vergaßen, offenkundig vor seinem Auge.
   Dann wird es sich zeigen, wie tief und unentrinnbar wir durch die Taufe hineingenommen sind in Christi Tod und Christi Auferstehung; wie jeder Getaufte sein eigenes Leiden und sein eigenes Sterben hineinleidet und hineinstirbt in das Sühneleiden und den Sühnetod seines Herrn, um so zu ergänzen, "was dem Leiden Christi noch mangelt." Dies zu erreichen, ist uns nur dies eine Leben mit seiner bestimmten Zeitspanne gegeben. "Lauft so, daß ihr den Sieg erringt!"
   Wenn unser Volk gewillt wäre, für Christus nur einen Bruchteil der Zeit, des Interesses und der leidenschaftlichen Begeisterung zu opfern, die es so maßlos auf Sport und Vergnügen verschwendet, dann dürfte man zu ihm sagen: gesegnet bist du! So aber haben wir den Schwerpunkt der Welt verschoben und dadurch im gesamten Bereich des mensch-christlichen Daseins die Unordnung auf den Plan gerufen. Wir müssen uns wieder auf eine richtige, gesunde Wertschätzung der vergänglichen und der unvergänglichen Dinge besinnen und jeder Kategorie den Platz zuweisen, der ihr in Wahrheit zukommt. Vielleicht dürften wir dann mit der Gnade Gottes erkennen, daß im Grunde für jeden aus uns nur eine Bedeutung hat, nämlich, daß er, Christus sein Kreuz nachtragend, hinangehe nach Golgotha. Aber Kalvarienberg und versiegeltes Felsengrab sind nicht das Ende, sondern der Anfang einer nimmer endenen Herrlichkeit.
   Dieser hoffnungsfrohe Gedanke sollte uns in jeder Stunde der Prüfung und Heimsuchung in echt christlicher Haltung gewappnet finden, den Weg zu gehen, den die göttliche Vorsehung uns weist und das Kreuz zu tragen, das seine Liebe uns auferlegt.
   Worin also besteht unsere Aufgabe? Daß wir die Nachfolge Christi in radikaler Weise vollführen. Ohne Abstriche, ohne Zugeständnisse. Christen nach außen und Christen nach innen. Wir haben der Welt vor Augen zu stellen, daß es für sie nur eine Wahl gibt: Christus oder den Untergang; nur eine Möglichkeit, vor einem schauerlichen Ende bewahrt zu bleiben: Christus; nur einen Weg, die durch Haß und Unfrieden zerrissene Welt zum wahren Verständnis, zur gegenseitigen Duldsamkeit und zum echten Frieden zu führen: Christus.
   Was die Welt zu ihrer Gesundung braucht, das ist der Christ, der in dieser Zeit der Wirrnis im Hinblick auf den Endsieg Christi lebt und wirkt mit einer Überzeugung, mit einer Siegessicherheit, mit einer nicht zu zerstörenden Hoffnungsfreudigkeit, mit einer für Christi Sache glühende Seele, dem alle Enttäuschungen und Niederlagen nichts weiter sind als Steine, mit deren Hilfe man Hindernisse wie Bach und Sumpf durchschreitet. Wir brauchen den Christen, dem Christus der Auferstande der Inbegriff seines Lebens ist.
   Wo ist dieser neue christliche Mensch, die neue urchristliche Persönlichkeit, imstande die "Welt ohne Gott" zu bekehren durch himmelstürmendes Gebet, durch jenen Glauben, der Berge versetzt; der sich der Wirkkraft Christi als Werkzeug voll und ganz zur Verfügung stellt? Bereitschaft ist alles!
   
   Laßt uns schließen mit einem Wort Papst Pius XII: "Es gilt, eine ganze Welt von Grund auf umzuformen, sie aus einer verwilderten in eine menschlich edle, aus einer menschlich wirklich edlen in eine vergöttlichte Welt umzuwandeln, das heißt, in eine Welt nach dem Herzen Gottes.
   Die Hand also an den Pflug! Möge euch Gott, der so Großes will, bewegen! möge euch ein so edles Unternehmen anziehen! Möge euch dessen dringende Notwendigkeit anfeuern! Die begründete Furcht vor der schrecklichen Zukunft, die die Folge einer schuldhaften Nachlässigkeit wäre, besiege jedes Zaudern und lege jeden Willen fest!"
   Ja, Heiliger Vater, so sei es! Und es wird eine Welt sein in Gott und mit Gott und durch Gott und für Gott in alle Ewigkeit, Amen.

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