- Gottes enge Pforte -


Abwehr gegen die Feinde der katholischen Kirche




   Wer wüsste nicht, dass der Mensch, welcher von einer Idee ganz beherrscht ist, die Wirklichkeit nicht immer ansieht! Darum schlagen gar viele nur zu sehr auf jenes Zerrbild der katholischen Kirche los, welches in Wirklichkeit gar nicht existiert und so sind es auch nur Luftstreiche. Wie aber können solche Eiferer für das "reine" Evangelium bei einem solchen Kampfe den Ruhm der Klugheit und Wissenschaft bewahren? Männer stehen auf, welche die Waffen ergreifen in traurigem Wahne, als ob die katholische Kirche den Krieg dem Protestantismus erklärt hätte. Fragt man aber nach dem Herold der Kriegsbotschaft, so weiss ihn niemand zu nennen. Sieht man sich um nach Feinden, so ist nirgends eine Spur von solchen zu entdecken. Nichtsdestoweniger vermehrt sich mit jedem Tag die Phalanx der Kämpfer gegen die Braut Christi - immer die alten Vorurteile, die alten Einseitigkeiten und das alte Misstrauen - das ist der Inhalt ihrer Bücher, Broschüren, Kalender Zeitungen. Ist es der protestantistischen Presse wirklich ernst mit der Erhaltung des konfessionellen Friedens, so soll sie doch einmal aufhören, sei es gelegen oder ungelegen, den Glauben des Katholiken als Fanatismus der Engherzigkeit und Geistesknechtung dem protestantischen Volke darzustellen. Wie können sich oft auch grosse politische Tagesblätter furchtbar kleinlich und engherzig zeigen, wenn es sich um katholische Interessen handelt! Es kann niemals von einem Aufgeben des kirchlich-katholischen und dem Einnehmen eines mittleren Standpunktes zwischen den konfessionellen Gegensätzen oder von einem Anerkennen beider, als zweier gleichmässig in der Wahrheit begründeten Formen des Christentums unter Katholiken die Rede sein. Der Glaube des Katholiken fusst einfach auf den Aussprüchen der Kirche, in welcher der Geist des Herrn fortlebt bis ans Ende der Tage. Der wahrhaft katholische Christ glaubt also, was die Kirche lehrt, und erkennt für einen Irrtum, was sie verwirft.
   Das, was innerlich und wesentlich von der Kirche scheidet, ist nicht dieser oder jener Satz, diese oder jene Meinung der Theologen, überhaupt weniger der Verstand oder das Wissen, sondern die Richtung des Willens und Gemütes, mit einem Wort das Herz, welches der ihm offenbar gewordenen Wahrheit Glauben und Gehorsam verweigert und dem eigenen Geist oder der falschen Autorität mehr vertraut, als den Aussprüchen derer, die der Heilige Geist gesetzt hat, die Gemeinde des Herrn zu regieren. - Darum kann zwischen den beiden konfessionellen Richtungen, unbeschadet des äusseren Friedens keine wechselseitige Gemeinschaft des kirchlichen Lebens und des göttlichen Dienstes sein, und die Schlichtung ihres Handelns bleibt vorbehalten bis auf den Tag, wo der Herr wieder kommen wird, um zwischen ihm und uns zu richten. Wer aber dies verkennt und Friede! Friede! ruft, wo kein Friede ist, der täuscht sich selbst und sucht die Mitte, wo es keine gibt. Denn auch hier tritt wieder der Gegensatz hervor, der zwischen der bewussten Feindschaft des Herzens und der bloßen Nichtkenntnis der Wahrheit zwischen der eigentlichen im Willen wurzelnden Häresie und dem bloßen nicht verschuldeten oder entschuldbaren Missverständnisse der Kirchenlehre obwaltet. Von unseren Gegnern dürfen wir freilich auch eine entschiedene, aufrichtige, ehrlich gemeinte Verteidigung mancher Glaubenssätze erwarten, die nach ihrer Versicherung ihnen und uns gemeinschaftlich sind. Wenn sie aber der katholischen Kirche als dem Schlussstein und der allein sicheren Bürgschaft für den Verstand der vollen christlichen Lehre nicht nur Glauben und Gehorsam verweigern, sondern sie sogar als Zerrbild in den Kot ziehen, so kann von einer Annäherung geschweige denn einem Vergleiche, einer Vermittlung zwischen diesen Gegensätzen bei keinem wahrhaft Gläubigen die Rede sein - in dieser Hinsicht gilt ohne Einschränkung das Wort des Herrn: "Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich!" Da ist es dann auch nicht bloß Ehrensache, sondern Christenpflicht, solche Angriffe auf unsere, heilige katholische und apostolische Kirche abzuwehren. -
   Kein aufmerksamer Beobachter der Zeit kann sich der Tatsache verschliessen, dass das Christentum nicht mehr in dem Anfange und in dem Masse, wie in früheren Jahrhunderten, die Gemüter der Menschen beherrscht, und die allen gemeinsame Grundlage des Denkens und Handelns bildet. Ein gewaltiger Bruch, ein grosser Riss geht durch die ganze gebildete Welt überhaupt und durch das deutsche Vaterland insbesondere. In zwei grosse Heerlager geschieden steht sich die heutige Menschheit in ihrer Weltanschauung, in Gesinnung und Leben schroff einander gegenüber: auf der einen Seite die Freunde und Anhänger der von den Vätern überlieferten Religion des Christentums mit dem Glauben an einen dreipersönlichen, überweltlichen Gott, an den Sündenfall und die Erlösung der Menschheit durch Christus, an die Unsterblichkeit der Seele, an die Vergeltung des Guten und Bösen hienieden und in der Ewigkeit; - auf der anderen Seite, mit vielfachem Unterschied alle diejenigen, für welche das Christentum ein längst überwundener Standpunkt ist, von denen angefangen, welche noch einzelne christliche Erinnerungen ihrer Kindheit und Jugendzeit mit ins Leben genommen, bis zu denen herab, für die es nur ein Diesseits, eine Sinnenwelt gibt, denen Gott die Weltseele, die allbelebende Kraft und der Mensch nur das höchste Naturwesen ist. Die Menschheit schart sich immer schroffer und dichter um die zwei grossen Prinzipien: vollständiger Gottes-Leugnung und vollen Gottes-Glauben. Aber widersinnig wäre die Anforderung, dass die Bekenner des katholischen Glaubens stillschweigend die Angriffe der Gegner über sich ergehen lassen, ihre Vorwürfe und Anklagen zugeben, ihre handgreiflichen Entstellungen der geschichtlichen Wahrheit anerkennen und einräumen sollen - eine Anforderung, die freilich in den mannigfachsten Formen und Einkleidungen vorgebracht wird, und den meisten gegen die Katholiken erhoben, auf "Friedensbruch" lautenden Anklagen zugrunde liegt. Mit dem leidenschaftlichen Hass ist, besonders wenn er die Religion zum Gegenstand hat, freilich nicht zu rechnen. Mit vollem Recht könnten die Katholiken ihre Gegner fragen: was hat euch die katholische Kirche eigentlich getan, dass ihr den Papst, die Bischöfe und Priester, die Ordensleute und Katholiken um ihres Glaubens willen so verleumdet und verfolgt? Seht sie euch doch einmal etwas genauer an! Ihre Lehre ist christlich und nicht götzendienerisch; sie ist lauter und vernünftiger und nicht unmoralisch, geist - und willenknechtend; ihre Sakramente sind heilsam, ihr Gottesdienst erhaben und erbaulich und nicht "heidnisch"; ihre Mitglieder lieben sich und, haben auch viele derselben Fehler an sich, so streben andere mit desto grösserem Eifer nach Heiligkeit und Gerechtigkeit. Wo in aller Welt ist es erhört worden, dass es eine gerechte Sache sei, gegen das Gute zu kämpfen? Warum wie ein Aasgeier immer auf die faulen Stellen sich stürzen und sich an ihnen weiden? Warum jedes Wort, wie es da und dort fällt, höhnisch ausbeuten und die eigene Rachsucht in ihm entzünden? Ist das evangelisch? Wenn die Schlagworte Inquisition, Bartholomäusnacht, Pulververschwörung, Magdeburg, Ablasshandel usw., denen die Katholiken hundert andere und zwar auf nähere Dinge bezüglich entgegenhalten könnten, nie ihre Kraft verlieren sollen, wenn nie Gerechtigkeitssinn und Objektivität die Stelle der Leidenschaft und des Fanatismus einnehmen sollen, dann wäre es geratener, wenn beide Parteien in entlegenen Weltteilen Platz nehmen, wo sie vielleicht unter Wilden friedlichere Gesinnung anträfen! Bloßer Hass und tödliche Feindseligkeit um verschiedener Prinzipien willen ist das Verächtlichste, was es geben kann. Es macht den gläubigen Protestanten Ehre, dass manche von solchem Treiben ihrer Glaubensbrüder sich angewidert fühlen und nicht die "un-evangelischen" Elemente des Protestantismus im "Evangelischen Bund" das Wort führen lassen. "Lernen wir", sagte ein noch gläubiger Hofprediger, mit bezug auf ein vertrauliches Schreiben des Evangelischen Bundes, "doch endlich die Feindseligkeiten zwischen Christ und Nichtchrist als das kennen, was sie sind: als Blendwerk der Hölle, an dem niemand begründete Freude hat als die Mächte der Finsternis; reichen wir uns doch wir, die vor demselben Kreuz anbetend niedersinken, die wir bekennen, es gibt kein Heil ausser in Christus, die Hand zum Bruderbund zu gemeinsamen, treuen Wirken und Schaffen, und wir brauchen fürder keine Umsturzvorlage und kein Sozialistengesetz." Derselbe protestantische Hofprediger sagte auch von den Liberalen, welche Staatseinschreiten gegen die christlich-sozialen forderten, folgendes: "Was ist das für ein elendes Volk! Wenn nur ihr Hass Befriedigung findet, geben sie alle Prinzipien auf!"
   Solche "gerechte Abwehr" kann und wird ein vernünftiger Mensch nicht als Friedensstörung charakterisieren!! Die Kirche Gottes ist ja geboren im Kampfe - sie wird auch immer im Kampfe leben! Hervorgegangen aus blutiger Wiege, bald angegriffen von der stolzen Eifersucht der Mächte, bald verfolgt von den entfesselten Leidenschaften der Empörung der sich selbst vergötternden Wissenschaft und dem Varrate der Geister, aber trotzdem geborgen in dem Schutze Gottes und der Liebe ihrer Kinder, immer gedemütigt und doch glorreich, immer bekämpft und doch unbesiegt! Sie hat das heidnische Rom überwunden und die Barbaren, Arius und Mohamed, die Reformatoren und Voltaire, - auch ihre modernen materialistischen und rationalistischen Feinde werden sie nicht überwinden, selbst wenn sie sich decken mit der Macht der sog. "Wissenschaft", denn - "die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen", hat die "ewige Wahrheit", ihr heiliger Stifter gesagt.
   In Österreich konnte sich die Abfallsbewegung teilweise infolge einer gewissen Sorglosigkeit im katholischen Lager besonders günstig entfalten, in anderen katholischen Ländern besteht sie nicht minder; wenn auch mit wenig Erfolg, so doch mit gleicher Tendenz. Waldenser und Hugenotten, vor allem aber die deutschen Protestanten sind die Träger der Bewegung. Was sie letzteren aufbieten für die Protestantisierung der Katholiken in Österreich, Italien, Spanien, Frankreich, Belgien und Polen ist staunenswert; nicht nur, dass der "Gustav Adolf-Verein" und der "Lutherische Gotteskasten" zu diesem Zwecke nebenbei ihre Kassen öffnen, auch eigene Vereine traten ins Leben, um das "Evangelium" den katholischen Völkern zu bringen, so existieren in verschiedenen deutschen Städten Vereine zur Ausbreitung des Evangeliums in Italien und Spanien, die sich nicht etwa auf die paar Protestanten in beiden Ländern beschränken, sondern eingestandenermaßen es auf die "Römischen" absehen. Es ist interessant, zu erfahren, wie "in diesen von der Macht Roms geknechteten Ländern" die Katholiken eingefangen werden. Schlecht unterrichtet, wie sie vielfach sind, sucht man sie durch persönliche Beeinflussung, geschickt angewandte Nächstenliebe, scheinbar unabsichtlich aber doch mit Hintergedanken hingeworfene Bibelsprüche, salbungsvolle, von Liebe triefende Traktate, allmähliche, klug vorgenommene Anschwärzung der "Papstkirche" und des "römischen Krams" zu verwirren. In der Heimat wird dann erzählt, wie man in "römischen Landen" Bedrückungen und Verfolgungen ausgesetzt sei, wie es aber trotzdem, dank der unermüdlichen Tätigkeit der Evangelisatoren, "heller" werde.
   In Deutschland sind die Verhältnisse schwieriger. Die deutschen Katholiken sind besser geschult, kennen die sogenannte "sieghafte" Kraft des Protestantismus aus eigener Anschauung und lassen sich daher nicht so leicht imponieren. Die "Gesellschaft zur Ausbreitung des Evangeliums" wird noch manche Mark rollen lassen müssen, bis sie eine grosse Abfallsbewegung inszeniert haben wird. Damit sollen die Erfolge der Gesellschaft nicht abgeleugnet werden; es wäre zu verwundern, wenn eine solch grosse Gesellschaft noch keine Erfolge aufzuweisen hätte, hat sie doch ein doppeltes Ziel im Auge: zunächst die Erwärmung protestantischer Kreise für das Missionswerk an der Mutterkirche und dann das Missionswerk selbst. 
   Die Evangelisation besteht besonders in: Einwirkung auf Katholiken bei Begräbnissen, persönliche Beeinflussung im gewöhnlichen Verkehr, Bibel- und Schriftenverteilung usw., besonders aber Pflege der Mischehen. Die Einwirkung der Begräbnissen ist in der Weise gedacht, dass die protestantischen Geistlichen die "römischen Brüder" zwar nicht angreifen, aber so reden, "dass römische Zuhörer es verstehen und einen Eindruck von der Liebe dessen empfangen, der auch für sie alles vollbracht habe", als ob wir Katholiken nichts davon wüssten und etwa die Erlösung leugnen wollten. Wenn die Herren Pastoren mit ihren Leichenreden "römische Brüder" fangen wollen, dürften sie sich schwer täuschen, namentlich, wenn katholischerseits auch Begräbnisreden gehalten werden.
   Die persönliche Beeinflussung sodann soll in der Weise betrieben werden, dass die Protestanten "das Wort Gottes weiter geben und Übertretenden mit Liebe und Vertrauen entgegenkommen". Die Liebe ist auch in diesem Stück erfinderisch, es wird als ein neuer Arbeitsweg die Mitarbeit der Frauen empfohlen: "diese finden oft leichter den Weg zum Herzen, als die Männer es vermögen. Gerade die Arbeit an den einzelnen Seelen von Mund zu Mund und von Herz zu Herz ist die Hauptaufgabe und hat eine besondere Verheissung." Die Worte bedeuten nichts anderes als die Mobilmachung der protestantischen Frau gegen die katholische Nachbarin, den konfessionellen Kleinkrieg, wie er widerwärtiger nicht gedacht werden kann. Die Katholiken in der Diaspora haben darunter sehr viel zu leiden.
   Nun die Bibelkolportage. Wenn die Protestanten unter uns "römischen Brüdern" die Bibel verbreiten, so tun sie das, wie sie selbst gestehen, in der Annahme, die katholische Kirche hätte die Bibel zu fürchten, eine Annahme, die sehr einfältig aussieht, wenn man bedenkt, dass ja die Protestanten die Bibel von uns überkommen haben und wir sie schon längst hatten, bevor man vom Protestantismus etwas wusste. Wir haben die Bibel nicht zu scheuen, wir verehren sie hoch, wir sind aber doch nicht so anspruchslos, dass wir den Grundquell des Heils schon im Bibellesen erblicken. Das ist wohl auch der Grund, weshalb Bibel und Bibelverständnis bei uns weniger verbreitet und der Durchschnittskatholik weniger in der Bibel bewandert ist, so dass er von einem dressierten Bibelboten leicht in Verwirrung gebracht werden kann. Mit Bibelsprüchen kann man bekanntlich alles beweisen, man braucht nur die nötige Routine zu besitzen.
   Der Evangelibote hat in seiner Tasche noch eine Reihe Traktate, wie man´s gerade braucht. Auf seine Klugheit und auf das Verhalten des zu bearbeitenden "römischen Bruders" kommt es an, ob ein Trakttat leichteren oder schwereren Kalibers angeboten wird. "Es liegt auf der Hand, dass man einen, der noch feindlich dasteht, nicht dasselbe in die Hand geben kann, als dem, der schon angefasst hat und übertreten möchte." Bleibt der "römische Bruder" zurückhaltend und deutet er eventuell auf die Türe, so weiss der Bote, dass er hier nicht "Dr. Martin Luther in Wort und Bild" anbieten kann, aber vielleicht "Das Kreuz auf Golgatha" oder ein katholisches Leben Jesu. Ist jedoch der Katholik zutraulich, so wird ihm offeriert "Durch Kampf zum Sieg" oder "Die Anrufung der Heiligen" oder "Magnifikat", oder "Die Erlebnisse einer frommen Katholikin". Dieses letztere Schriftchen enthält die Lebensgeschichte eines französischen Mädchens, das fromm, aber sentimental erzogen vom Katholizismus gar keinen richtigen Begriff hat, dann protestantisch wird und nun selig im Herrn irgendwo in Frankreich lebt. Der Schluss will sagen: Geh hin und tue desgleichen.
   Auch ein Monatblatt für "suchende Katholiken" wird herausgegeben. Das Blatt, scheinbar harmlos geschrieben, enthält in jeder Nummer Ratschläge für "Pilger", d.h. Katholiken, mit der Tendenz, ihnen ihren Glauben zu entleiden. Lourdeswasser, Benediktusmedaillen und ähnliche Liebhabereien frommer Seelen müssen herhalten, um dem "Pilger" den Geschmack an der alten Kirche zu verderben und seinen Sinn für das "lautere Evangelium" zu öffnen. Direkte Angriffe vermeidet das Blatt aus dem einfachen Grund, weil es sonst bei Katholiken nicht eindringen könnte.
   Die Mischehenpflege ist sehr schlau ausgedacht und wird an Dutzenden von Stellen eingeschärft. Ein protestantischer Pastor schreibt: "Durch die Trauung oder Kindererziehung in der anderen Konfession ist ein Zwiespalt mit dem betr. Pfarrer entstanden. Da wollen wir uns die Pflege der Mischehen besonders am Herzen liegen lassen. Wenn wir Geistliche unsere Pflicht getan haben, wenn wir erst die Wahrung des evangelischen Interesses vertreten haben, wird es uns, falls wir abgewiesen sind, in vielen Fällen nicht leicht sein, den richtigen Eingang wieder zu finden...
   Da müssen in sehr vielen Fällen Stadtmissionare die gewiesenen Gehilfen des Pfarramts sein."
   Noch vieles Interessante ließe sich von der Propagande unter den "römischen Brüdern" erzählen. Alles in allem: Man möchte die Katholiken einfangen, nicht mit Gewalt, sondern angetan mit dem Mäntelchen der Liebe. Wie man die Fliegen mit Honig fängt, so den "römischen Bruder" mit "Liebe". Bundesgenosse des Protestantismus ist die katholische Gutmütigkeit. Was den Protestanten ausmacht, ist nicht so sehr sein Glaube, noch weniger seine Kirchlichkeit, sondern sein antikatholisches Bewusstsein. Selbst wenn er nichts mehr glaubt, antikatholisch bleibt er doch, das protestantische Rückgrat lässt er sich nicht brechen, die Kampfesstellung gegen Rom gibt er nicht auf. In diesem Punkt liegt die Stosskraft des in sich uneinigen, gegen die Katholiken geeinten Protestantismus; aus diesem Grund erklären sich nicht nur die Vereine zur Ausbreitung des Evangeliums, sondern auch die ständige Kampfesstellung des jetzt gegen 400.000 Mitglieder zählenden Evangelischen Bundes.
   Katholischerseits soll die Kampfarbeit nicht die Hauptaufgabe bilden, aber doch wäre es am Platze, den katholischen Glaubensgenossen das Rückgrat zu steifen, ihnen mehr Selbstbewusstsein und Achtung vor ihrer eigenen Überzeugung einzupflanzen, den Zusammenhalt zu pflegen und sie mit den Einwürfen der Gegner schon von Jugend auf bekannt zu machen, nicht nur in der Grossstadt, sondern im hintersten Dörflein. Da aber die Defensive allein ein undankbares Geschäft ist, so muss auch eine Offensive dabei sein, nicht jene, die uns gegenüber angewandt wird, sondern jene, die in der positiven Auswirkung der im Katholizismus schlummernden Kräfte beruht. Wir sollen unsere Mitbrüder lieben und für sie beten; wir sollen unser Licht leuchten lassen vor den Menschen, um dadurch die Wahrheit unseres katholischen Glaubens zu beweisen.
   (entnommen aus: Das dreifache Reich Gottes, von Pfarrer Joseph Reiter, 1911 - Approbation von Bischöflichen Ordinariat Augsburg 1911, und Imprimatur von Bischöflichen Ordinariat Würzburg 1911) 

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