- Gottes enge Pforte -



Anbetung




ADORAMUS TE - WIR BETEN DICH AN
 
Anbetung hat heutzutage kaum Konjunktur, ja, sie scheint nicht wenigen suspekt, weil man mit Anbetung Verhaltensweisen verbindet, die dem Selbstbewusstsein des modernen Menschen gänzlich widerstreben. Vor jemanden in die Knie zu gehen, zu jemanden in demütiger Haltung aufzuschauen scheint nicht mehr recht in unsere Zeit zu passen. Beten mag ja noch angehen. Aber Beten als Danksagung vor Gott für seine Gegenwart unter den Menschen, für seine Schöpfung, als Lobpreis der eigenen Existenz kommt dem Menschen nur mehr schwerlich über die Lippen. Anbetung hat es da noch schwerer. Denn Anbetung fordert weniger ein Tun als vielmehr eine innere Haltung.
 
- Die Erkenntnis, dass es einen Gott gibt.
- Das Bekenntnis zu ihm als dem Schöpfer alles Seienden.
- Die Anerkennung Gottes als Grund und Ziel des persönlichen Lebens.
Der Anbetung verstellt außerdem eine Frage den Weg, die das Denken und Tun des modernen Menschen nachhaltig beeinflusst: "Was bringt mir das?" Ökonomisch betrachtet nichts! Spirituell betrachtet jedoch ein großes Stück innerer Freiheit, weil ich vor dem, den ich anbete, nichts leisten muss, sondern einfach sein, da sein darf. Anbetung bringt mich also demjenigen näher, zu dem ich bete.
(Bernhard Kirchgessner, Domvikar)
 
Statio
 
In seiner Predigt beim Weltjugendtag 2005 in Köln sagte Papst Benedikt zu den jungen Menschen aus aller Welt: "Das lateinische Wort für Anbetung heißt "ad-oratio" - Berührung von Mund zu Mund, Kuss, Umarmung und so im Tiefsten Liebe." Anbetung ist also ein sehr persönliches, intimes Geschehen, bei dem Gott und Mensch einander begegnen und sich tief in die Augen schauen. Lassen wir uns vom Herrn anschauen, lassen wir uns von seinem liebenden Blick treffen und antworten wir ihm in Gebet, Schweigen und in Heiligen Zeichen.
(Papst Benedikt XVI.)
 
1. "Ad-oratio" - Von Mund zu Mund
Das lateinische Wort für Anbetung heißt "ad-oratio" - Berührung von Mund zu Mund, Kuss, Umarmung und so im Tiefsten Liebe. Unterwerfung wird Einung, weil der, dem wir uns unterwerfen, die Liebe ist. So wird Unterwerfung sinnvoll, weil sie uns nichts Fremdes auferlegt, sondern uns freimacht zum Innersten unserer selbst.
(Papst Benedikt XVI.)
 
2. Von Angesicht zu Angesicht
"Der hl. Augustinus hat in seinem Psalmenkommentar das Wort: "Quaerite faciem eius semper - sucht immer sein Angesicht" so schön ausgelegt, dass es mir schon damals als Student zu Herzen gegangen ist, wo er sagt: Das gilt nicht nur in diesem Leben, es gilt in Ewigkeit, immer wird dieses Angesicht neu zu entdecken sein, je weiter wir hineinschreiten in den Glanz der göttlichen Liebe, desto größer werden die Entdeckungen sein, desto schöner ist es, voranzugehen und zu wissen, dass das Suchen ohne Ende ist und darum das Finden ohne Ende und daher Ewigkeit Freude des Suchens und des Findens zugleich ist. Menschen im Suchen stützen als Mitsuchende und ihnen zugleich doch auch geben, dass Er uns gefunden hat und dass wir ihn daher finden können.
(Papst Benedikt XVI.)
 
3. Gottes Nähe
"Wo wäre noch irgend ein großes Volk, dessen Götter ihm so nahe sind wie der Herr, unser Gott, uns nahe ist, so oft wir zu ihm rufen? (Dtn 4,7) Der heilige Thomas von Aquin hat dieses Wort in die Betrachtungen zum Fronleichnamsfest aufgenommen. Er hat damit gezeigt, dass wir Christen in der Kirche des Neuen Bundes es mit noch viel mehr Grund und Freude und zum Dank aussprechen können als Israel; er hat damit gezeigt, dass der Sinn dieses Wortes in der Kirche Jesu Christi eine vorher noch gar nicht zu ahnende Vertiefung erfahren hat: Gott ist wirklich in der Eucharistie zu unserem Mitbewohner geworden. Er ist Fleisch geworden, um Brot werden zu können. Er hat sich in die Frucht der Erde und der Arbeit unserer Hände hineingegeben; er legt sich so selbst in unsere Hände und in unser Herz hinein. Gott ist nicht der große Unbekannte, den wir nur dunkel ahnen können. Wir brauchen nicht, wie die Heiden, zu fürchten, dass er vielleicht launisch und grausam sei oder zu fern und zu groß, um den Menschen zu hören. Er ist da und wir wissen immer, wo wir ihn finden können, wo er sich finden lässt und uns erwartet. Dies soll uns heute wieder in die Seele dringen: Gott ist nahe. Gott kennt uns. Gott wartet auf uns in Jesus Christus im heiligen Sakrament. Lassen wir ihn nicht vergeblich warten!
(Papst Benedikt XVI.)
 
4. Freiheit
Der, den wir anbeten, ist nicht eine ferne Macht. Er hat sich selbst vor uns hingekniet, um unsere Füße zu waschen. Und das gibt unserer Anbetung das Gelöste, das Hoffende und das Frohe, weil wir uns vor dem beugen, der sich selbst gebeugt hat, weil wir uns in die Liebe hineinbeugen, die nicht versklavt, sondern verwandelt.
(Papst Benedikt XVI.)
 
5. Stille
Die Anbetung kann auf dem weitesten Weg, den der Mensch je zurücklegen muss, auf dem Weg vom Kopf zum Herzen, in die Tiefe und Abgründe seines Ich, eine große Hilfe sein. Anbetung hat nicht nur eine äußere Form (Betschemel, Knien, Gebete), Anbetung verlangt vielmehr auch nach einer inneren Haltung, nach Stillewerden vor Gott, nach Leerwerden von den uns beherrschenden Gedanken und dem Offensein für das Neue, das Gott in den Menschen hineinlegen möchte. Vacare Deo nannten es die Mystiker. Es geht bei der Anbetung nicht um eine Aktion, schon gar nicht um ein "do ut des" - ich gebe Gott etwas, damit Gott mir wieder etwas gibt - vielmehr ist Anbetung "Stillsein vor dem Herrn". Sören Kierkegaard hat dies so umschrieben:
"Als mein Gebet immer andächtiger und innerlicher wurde, da hatte ich immer weniger und weniger zu sagen. Zuletzt wurde ich ganz still. Ich wurde, was womöglich noch ein größerer Gegensatz zum Reden ist, ich wurde ein Hörer. Ich meinte erst, Beten sei Reden. Ich lernte aber, dass Beten nicht bloß Schweigen ist, sondern Hören. So ist es: beten heißt nicht, sich selbst reden hören. Beten heißt: Still werden und still sein und warten, bis der Betende Gott hört.
(Sören Kierkegaard)
 
6. Anbetendes Schauen - Schauendes Anbeten
Das anbetende Schauen, gleich ob es nun als Anschauen der Hl. Hostie oder als Schauen mit geschlossenen Augen, als Schau des Innersten geübt wird, ist uns von Liebenden bekannt. Liebende können stundenlang stumm auf einer Parkbank sitzen und sich einfach in die Augen schauen; sie bedürfen der Worte nicht, weil ihr Blick bereits alles sagt. Genau darum geht es auch bei der Anbetung! Gott tief in die Augen zu schauen und sich von seinem liebenden Blick treffen zu lassen.
Teresa von Avila gibt einmal den Rat: "Ich bitte euch gar nicht, dass ihr an ihn (= Gott) denkt oder euch viele Gedanken macht oder in eurem Verstand lange und subtile Betrachtungen anstellt; ich will nicht mehr, als dass ihr ihn anschaut. Wer verwehrt es euch denn, die Augen der Seele immer wieder auf ihn zu richten - wenn auch nur so zwischendurch, wenn ihr mehr nicht fertigbringt? Wenn ihr schon ganz hässliche und widerliche Dinge anschauen könnt, könnt ihr dann nicht das Schönste anschauen, das man sich vorstellen kann?...Schau, er erwartet nichts anderes, als dass du ihn anschaust. So wie du ihn gern hast, wirst du ihn finden. Ihm ist so sehr daran gelegen, dass du ihn immer wieder anschaust, dass es wegen einer Anstrengung seinerseits nicht ausblieben wird.
(Teresa von Avila)
 
7. "Besinnung ist Schauen"
Bernhard von Clairvaux behauptet in einer seiner Ansprachen: "Besinnung ist schauen". Was will er damit sagen? Schauen meint vor Gott nichts leisten zu müssen, nichts tun zu müssen, was Gott beeindrucken könnte, sondern einfach da zu sein, sich seiner eigenen und der Gegenwart Gottes bewusst zu werden und sich ihrer zu erfreuen, wie zwei Liebede sich aneinander freuen. Und im Schauen offen zu werden für die feine, innere Stimme, die gelegentlich zu uns spricht. Bernhard sagt:
"Dieses Schauen ängstigt nicht, es beruhigt; es stachelt nicht die friedlose Neugier an, sondern schenkt Ruhe; es ermüdet nicht die Sinne, sondern lässt sie ausruhen. Da kann man wahrlich Ruhe finden. Der ruhige Gott beruhigt alles, und ihn in seiner Ruhe schauen, heißt ruhen."
(Bernhard von Clairvaux)
 
8. Gott ähnlich
"Wie kannst du, der du noch nicht ganz schön bist, dich für fähig halten, die volle Schönheit zu schauen? Wie kannst du danach verlangen, mich in meiner Klarheit zu schauen, wenn du dich noch nicht kennst?...Das wird dann geschehen, wenn ich erscheine, weil du ganz schön sein wirst, wie ich ganz schön bin; mir ganz ähnlich wirst du mich schauen, wie ich bin. Dann wirst du hören: "Ganz schön bist du, meine Freundin, kein Makel haftet dir an!" (Hld. 4,7)
(Bernhard von Clairvaux)
 
9. Von Gottes Armen umschlungen
"Ich kann mich nicht fassen vor Freude, dass sich jene Majestät nicht scheut, sich in einer so vertrauten und seligen Gemeinschaft zu unserer Schwäche herabzuneigen, und dass die höchste Gottheit es nicht ablehnt, eine Vermählung mit der Seele in der Fremde einzugehen und ihr die Zuneigung eines von glühender Liebe erfassten Bräutigams zu erweisen. So, ja so muss es ohne Zweifel im Himmel sein, wie ich auf Erden lese, und gewiss wird die Seele erfahren, was die Schrift sagt, nur dass diese gar nicht imstande ist, die Größe dessen auszudrücken, was die Seele dann wird fassen können, noch, was sie jetzt schon fassen kann. Was, meinst du, wird sie dort empfangen, wenn sie schon hier mit einer solch vertrauten Gemeinschaft beschenkt wird, dass sie sich von Gottes Armen umschlungen, an Gottes Brust gewärmt und von Gottes Sorge und Eifer behütet sieht, um von niemand aus ihrem Schlaf geweckt zu werden, bis sie von selbst erwacht?
(Bernhard von Clairvaux)
 
10. Gottes Zuneigung
"Die Seele, die Gott schaut, sieht ihn nicht anders, als ob sie allein von Gott angeschaut würde. Deshalb sagt sie also mit Zuversicht, er neige sich ihr zu und sie sich ihm, da sie nichts anderes sieht außer sich und ihn. Gut bist du, Herr, zur Seele, die sich sucht. (Klg 3,25) Du eilst ihr entgegen, umarmst sie, zeigst dich ihr als Bräutigam, wo du doch der Herr, ja Gott bist, der über allem steht. Dir sei Lobpreis in Ewigkeit. Amen."
(Bernhard von Clairvaux)
 
11. Gott im Menschen - Der Mensch in Gott
"Wenn also Gott und Mensch allseitig ineinander haften - sie haften dann allseitig ineinander, wenn sie in innigster und gegenseitiger Liebe sich einander einverleiben - dann behaupte ich, ohne zu zweifeln, dass dadurch Gott im Menschen und der Mensch in Gott ist."
(Bernhard von Clairvaux)
 
12. Suchen und finden
Unser Leben ist ein permanentes Suchen und Finden des Mitmenschen wie Gottes. Der Hl. Bernhard von Clairvaux hat dies in einer Predigt zum Hohenlied zum Ausdruck gebracht.
"Voll Güte bist du, Herr, für die Seele, die dich sucht. Doch was bist du erst für die, welche dich findet? Doch darin besteht das Wunderbare, dass niemand dich suchen kann, der dich nicht schon gefunden hat. Du willst also gefunden werden, damit man dich sucht, und gesucht werden, damit man dich findet. Du kannst also gesucht und gefunden werden, doch niemand kann dir zuvorkommen."
(Bernhard von Clairvaux)

Nach oben