- Gottes enge Pforte -


Die eucharistische Vereinigung




1. Christus schenkt sich uns hauptsächlich durch die Kommunion.
2. Die Kommunion schenkt uns Christus ganz.
3. Die Kommunion schenkt uns die drei göttlichen Personen.
4. Die Kommunion verbindet uns mit dem innersten Leben der hhl. Dreifaltigkeit.
 
 
1. Christus schenkt sich uns hauptsächlich durch die Kommunion.
 
In der Praxis des täglichen Lebens vereinigen wir uns vornehmlich durch die heilige Kommunion mit Christus. Das grosse Mittel, uns mit göttlichem Leben zu bereichern, ist der Genuss des Lebensbrotes.
Im Augenblick des Genusses vollzieht sich eine wunderbare Vereinigung, unvergleichbar allen irdischen Vereinigungen, auch den allerinnigsten. Um einen Vergleich zu finden, müssen wir mit dem hl. Johannes Chrysostomus hinaufsteigen bis zu der Vereinigung der beiden Naturen in Christus und sagen: durch die Eucharistie sind wir mit Jesus vereint, wie seine heilige Menschheit vereinigt ist mit dem Worte.
Gewiss, das Dasein Jesu und das unsere bleiben voneinander unterschieden wie seine Natur von unserer Natur, wie seine Seele von unserer Seele. Und doch besteht eine unvergleichliche Liebeseinheit.
Um uns eine Vorstellung von dieser Einswerdung Christi und des Menschen zu geben, greifen die Kirchenväter zu packenden Vergleichen. "Gieße geschmolzenes Wachs in ein anderes Wachs," sagt der hl. Cyrill von Jerusalem, "so durchdringen sie sich gegenseitig gänzlich. Ebenso wenn jemand den Leib und das Blut des Herrn empfängt, ist die Vereinigung derart, dass Christus in ihm und er in Christus aufgeht...Wir haben denselben Leib und dasselbe Blut." Der hl. Cyprian fügt hinzu: "Unsere Vereinigung mit ihm vereinigt die Meinungen und die Willen."
In der Tat, im Augenblick der Kommunion tritt Christus solchermaßen in unser Herz und in unsere Seele ein, dass unsere Neigungen und unsere Gedanken seine Neigungen und seine Gedanken genannt werden können. Er hat sie zuerst selbst. Dann teilt er sie uns mit nach dem augenblicklichen Grade unserer Liebe.
Wenn eine Seele nur wenig Liebe hat, ist Jesus wohl gezwungen, sich der Enge dieser Seele anzupassen und seine Gaben zu beschränken. Aber der von allen Geschöpfen und sich selbst losgelösten Seele, die sich ohne Vorbehalt hingibt, der geläuterten Seele, die sich gänzlich dem Einfluss der Hostie öffnet, gibt sich dagegen Jesus, wie nur Gott allein sich zu geben vermag. Es entsteht ein Lebensaustausch, eine Gütergemeinschaft, eine Liebeseinheit, die über jeden menschlichen Ausdruck erhaben ist. Die von Jesus durchdrungene Seele wird wie ein fruchtbares Erdreich, dem Blüten und Früchte entsprießen. Sie fasst lichtvolle Gedanken, bringt glühende Liebesakte hervor.
Gehören diese uns? - Ja, denn sie kommen aus unserem Erkennen und unserem Herzen, aber aus unserem mit Jesu Erkennen geeinten Erkennen, aus unserem mit seinen Herzen geeinten Herzen, so dass sie ihm gehören, wie sie uns gehören. Gemeinsam beten wir an, gemeinsam lieben wir und sagen wir Dank, gemeinsam opfern wir uns dem himmlischen Vater. Seine Liebe und unsere Liebe, sein Denken und unser Denken steigen miteinander vereint hinauf, wie zwei in demselben Rauchgefäss verbrannte Weihrauchkörner nur einen einzigen Duft zum Himmel hauchen.
 
2. Die Kommunion schenkt uns Christus ganz.
 
Im Augenblick der Kommunion sind wir wirklich im Besitz des Lebens. Wir besitzen das fleischgewordene Wort ganz und gar, mit allem, was es ist, und mit allem, was es tut, Jesus, Mensch und Gott, alle Gnaden seiner Menschheit und alle Schätze seiner Gottheit, oder um mit dem heiligen Paulus zu sprechen: "den unergründlichen Reichtum Christi".
Jesus ist in uns als Mensch. Die Kommunion ergießt also in uns das wirkliche, himmlische, ganz glorreiche Leben seiner hl. Menschheit, seines Herzens, seiner Seele. Im Himmel sind die Engel von Glück überflutet durch die Ausstrahlung dieses Lebens. Auf Erden haben einige Heilige den verklärten Leib Jesu geschaut. "Es war eine Schönheit, die das menschliche Wort ersterben lässt", erzählt die selige Angela von Foligno, der nach ihrer Vision "eine grenzenlose Freude" verblieb, "ein erhabenes Licht, ein unsägliches und beständiges Ergötzen, ein Seligsein beglückender als alles Beglückende". - Und dieser verklärte Leib, der durchpulst ist von einem Herzen, das einen Abgrund von Liebe darstellt; der belebt ist von einer unsagbar schönen, heiligen, lichtglänzenden, leben- und gnadendurchfluteten, friede- und freudeatmenden Seele, dieses Heiligtum und Paradies der Gottheit wird unser Festmahl.
Jesus kommt zu uns als Gott. Das ist der Gipfel der göttlichen Grossmut. "Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, liebte er sie bis ans Ende", bis zu den letzten Forderungen und bis zu den letzten Möglichkeiten der Liebe. Wir nehmen also an dem göttlichen Leben Jesu teil, an seinem Leben als Wort, als einzigen Sohn des Vaters.
Er sagte es uns selbst, dass er durch den Vater lebe. Ewig gibt der Vater das Leben, das in seinem Schoße ist, dem Sohne. Er gibt es ihm gänzlich, ohne Schranken, mit solcher Liebesgrossmut, dass sie, obgleich unterschieden bleibend, nur eine Gottheit bilden mit demselben Leben, derselben Fülle an Liebe, Freude, Friede.
Dieses Leben empfangen wir.
 
3. Kommunion schenkt uns die drei göttlichen Personen.
 
Das Wort kommt zu uns. Aber es kommt nicht allein. "Ich bin in meinem Vater, und mein Vater ist in mir". Da, wo Jesus ist - beglückender Gedanke! - ist auch der Vater: "Der mich gesandt hat, ist mit mir; er hat mich nicht allein gelassen". Und da, wo der Vater und der Sohn sind, da ist auch der Hl. Geist. Die ganze hhl. Dreifaltigkeit wohnt in dem Herzen des Kommunizierenden. Jesus hat es uns angekündigt: "Wer mich liebt... den wird mein Vater lieben, zu dem werden wir kommen und Wohnung bei ihm nehmen".
Unsere Seele wird ein Heiligtumszeuge unaussprechlicher Wunder. Denn die drei göttlichen Personen bleiben nicht untätig in dem Kommunizierenden: der Vater zeugt daselbst seinen Sohn, der Vater und der Sohn hauchen dort den Hl. Geist.
Ewig spricht der Vater ein ihm ähnliches und gleiches Wort aus, worin er sich ganz ausdrückt, ein wesenhaftes, lebendiges Wort, sein Wort. Indem er dieses Wort vernimmt, sein Bild, sein Licht, seinen Gedanken, seine Glorie, die Form seines Antlitzes, den gleichwertigen Abglanz seiner Vollkommenheiten, den lebendigen Spiegel seines Wesens und die Frucht seiner Liebe schaut, liebt er dieses sein Wort mit grenzenloser Liebe. Das Wort antwortet dem Vater mit der gleichen ewigen und unendlichen Liebe. Einzige Liebe, obwohl gegenseitig; lebendige und wesenhafte Liebe, Umarmung, Band, unaussprechliche Hauchung, die sie in der Einheit des Hl. Geistes gleichsam vollendet.
Das ist das grosse Geheimnis, dessen Betrachtung die Engel mit Herrlichkeit, Schönheit, Glück überflutet. Diese machtvollen Intelligenzen, die mit einem Schlag die Tiefen der ganzen Schöpfung erkennen, können das Geheimnis der drei göttlichen Personen ewig anschauen, ohne dass sie es jemals erschöpfen und ohne dass sie ihren Hunger und ihren Durst jemals stillen. Ihr tiefer, rascher Blick entdeckt in dem Abgrund des göttlichen Lebens unaufhörlich neue Vollkommenheiten, die sie mit Entzücken schauen und mit Jubel besingen.
Das ist das Geheimnis, das uns die Kommunion schenkt.
Zwar sind wir zu jeder Zeit "Tempel des lebendigen Gottes", "weil durch die Gnade", wie der hl. Thomas sagt, "die ganze hhl. Dreifaltigkeit Gast der Seele ist".
Und doch ist dies noch mehr der Fall im Augenblick der Kommunion, weil in diesem Augenblick Jesus als das "Brot des Lebens" kommt, ausdrücklich, um dieses Leben, das er vom Vater hat, mitzuteilen: "Wer dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit".
Aber wie wird er leben? "Wie ich, vom lebendigen Vater gesandt, durch den Vater lebe, so wird auch der, welcher mich isst, durch mich leben".
Die Seele des Kommunizierenden wird gleichsam der Himmel der hhl. Dreifaltigkeit. Wie im Himmel spricht der Vater in meiner Seele sein ewiges Wort aus, zeugt er seinen Sohn, indem er ihn mir schenkt: "Heute habe ich dich gezeugt"..."Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen". - Vater und Sohn tauschen jetzt in meiner Seele ihre gegenseitige Liebe aus, halten sich in jener unbeschreiblichen Umarmung umfangen, ihre Liebe haucht sie aus in jenem glühenden Hauch, jenem Flammenmeer, das der Hl. Geist ist.
 
4. Die Kommunion verbindet uns mit dem innersten Leben der hhl. Dreifaltigkeit.
 
Diesem Leben: den unaussprechlichen Liebesbeziehungen der drei göttlichen Personen, werde ich verbunden.
Jesus zieht mich hinein in seine Kindesliebe zum Vater. Er lässt mich in sein Herz eintreten, umhüllt mich mit seiner liebeflammenden Seele, damit ich in ihm, mit ihm und durch ihn seinen Vater liebe, der auch mein Vater ist. Er lehrt mich, ihn anzubeten, zu loben, zu lieben, mich ihm hinzugeben, wie er selbst sich hingibt, mit ihm zu sagen: "Siehe, ich komme"..."In deine Hände befehle ich meinen Geist". Und Jesus bittet seinen Vater, mich in das Liebesgeheimnis der drei göttlichen Personen aufzunehmen: "Ich bitte...so sollen auch sie in uns sein". Der Vater seinerseits begreift mich um seines Sohnes willen in sein unendliches Wohlgefallen ein. "Niemand kann zu mir kommen," sagt Jesus, "wenn der Vater, der mich gesandt hat, ihn nicht zieht".
Und mit welcher Liebe! Mit einer namenloser Liebe, die alles Maß überschreitet. Und Jesus erbittet und erhält meine Teilnahme an dieser unaussprechlicher Liebe..."damit die Liebe, mit der du mich liebtest, in ihnen sei und ich in ihnen".
Auf diese Weise durch Christus zum Vater und durch den Vater zu Christus geführt, in ihre gegenseitige Liebe hineingezogen, bin ich in dem Heiligen Geiste, der ewigen Liebesbewegung zwischen Vater und Sohn.
Im Hl. Geiste, o Vater, führst du mich zu Jesus.
Im Hl. Geiste, o Jesus, führst du mich zum Vater: er ist eure Gabe. Weil der Hl. Geist eure Vereinigung und Vollendung ist, das Siegel eurer Einheit, ist er auch meine Vereinigung, meine Vollendung, das Siegel meiner Einheit in euch. -
"Er wird euch alles lehren". Er vollendet meine Hingabe. Indem er dich anzieht, o Vater, zieht er auch mich zu Jesus. Er zieht mich an und ergreift Besitz von mir. Er macht mich eins mit dir, o Gott Vater, und mit dir, o Gott Sohn. Durch ihn vollendet sich die Verwirklichung deines hohenpriesterlichen Gebetes, o Jesus, angebeter Meister:
"Doch nicht allein für sie bitte ich, sondern auch für jene, die durch ihr Wort an mich glauben, damit sie alle eins seien, wie du Vater, in mir bist und ich in dir bin; so sollen auch sie in uns sein...Ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins seien, wie wir eins sind. Ich werde in ihnen sein, wie du in mir bist, auf dass sie vollkommen eins seien, damit die Welt erkenne, dass du mich gesandt und sie geliebt hast, wie du mich geliebt hast".
Der Herr sagte zur seligen Angela von Foligno: "Wenn jemand mich in seiner Seele zu besitzen wünscht, werde ich mich ihm nicht entziehen. Wenn jemand mich zu schauen wünscht, werde ich ihm mit Wonne den Anblick meines Antlitzes gewähren. Wenn jemand mit mir zu sprechen wünscht, werden wir uns mit unermesslicher Freude miteinander unterreden."
Somit kann man das, was der heilige Thomas von der Vereinigung durch die Gnade schreibt, mit noch viel grösserem Rechte von der eucharistischen Vereinigung aussagen: "Sie ist der Anfang der ewigen Glückseligkeit." Der Herr hat gesagt: "Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben".
Da sie denselben Gott empfangen, haben die Seligen im Himmel und die Christen auf Erden ein nämliches Leben. Die Seligen besitzen Gott durch die Anschauung, wir besitzen ihn durch den Glauben. Aber die Kommunion gibt ihn uns wie die Anschauung unmittelbar, vollständig ohne ein anderes Hindernis als dasjenige unserer Sünden und unserer Lauigkeit. Wenn unser Glaube lebendig genug wäre, diese Lauigkeit auszuscheiden, wenn unsere Liebe glühend genug wäre, jedes Hindernis zu entfernen und der Hostie jene Aufnahme zu bereiten, den die Läuterung des Fegfeuers dem ewigen Schauen bereitet: die Wirkungen würden fast dieselben sein. Gesättigt vom eucharistischen Leben, würden die pilgernden Christen durch die Kommunion in Gott umgewandelt werden wie die Auserwählten durch die Glorie.
Scheint es nicht fast, als ob Gott, wie von einer anbetungswürdigen Ungeduld erfasst, es sozusagen nicht erwarten könnte, bis für jeden von uns die Stunde der glückseligen Vereinigung schlägt? Die göttliche Liebe beeilt sich, die Vereinigung einzuleiten, die nicht enden soll. Sie macht sich zu Brot, zu Wein. Und sie sagt zu uns: Ich bin die Nahrung grosser Seelen: glaub und iss, denn du wirst mich nicht in die verwandeln wie die Nahrung deines Körpers; du wirst vielmehr in mich verwandelt werden. (St. Augustinus, Bekenntnisse)
(entnommen aus: "Durch die Eucharistie zur Dreifaltigkeit", von M. Vincent Bernadot O.P., Imprimatur: München, den 15.März 1927)


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