Der letzte Christ
Die alte Christuslehre hat ihre Zeit verlebt;
Die reif geword´ne Menschheit nach hellerm Lichte strebt;
Das Kreuz, schon halb verfallen, wann sinkt es ganz und gar?
Wann schwindet von der Erde der letzte Christaltar?
Solang im Sünderherzen noch ein Gewissen schlägt,
Nach Frieden und Versöhnung ein heiß Verlangen trägt;
Solang ein Schwerbeladner, dem jede Stütze bricht,
Sehnsüchtig droben suchet ein tröstend Hoffnungslicht;
Solang noch ein Verwaister um seine Lieben weint,
Und nach dem Lande seufzet, das die Geschiednen eint;
Solang ein Mensch gedenket:"Ich bin des Todes Kind!
Wer hilft, daß ich die Schrecken des Grabes überwind?"
Solang im Menschenherzen ein Gottesfunke sprüht,
Solang des heil´gen Feuers nicht alles ausgeglüht;
Solange steht auf Erden, die Kirche Christi fest,
Und schließt in ihre Hallen der Menschheit letzten Rest.
Und wer da sucht zu retten, sein künftig Himmelslos,
Wird für und für sich flüchten in ihren Mutterschoß.
Und stirbt dereinst die Menschheit dem alten Erdkreis ab,
So geht im letzten Menschen, der letzte Christ zu Grab.
Und fällt am Tag des Zornes in Asche Sonn´ und Stern,
So schwingt sich aus den Trümmern, das ew´ge Wort des Herrn: